Aufruhr

Demokratie

Mai 2013, Juni 2013

    (Teil 1)

      Wir scheissen auf die Demokratie!

      Das Volk herrscht…

      …und die Bürger

    (Teil 2)

      Perfektionierung des Bestehenden

      Das Kompromisseln

      Bruch

(Teil 1)

Die Schweiz, das Land der Demokratie, der direkten, ja, der einzig wirklich direkten Demokratie. Wir alle wurden gezwungen, uns mit der Demokratie zu identifizieren, ihre Werte wurden uns reingewürgt bis zum geht-nicht-mehr und deshalb ist es an der Zeit, diesen höchsten aller Werte einmal gründlichst in den Dreck zu ziehen.

Das, was heute Demokratie genannt wird, lässt sich ungefähr so beschreiben: Alle Bürger eines Staates dürfen über bestimmte Angelegenheiten eines Staates entscheiden. Alle Bürger eines Staates (z.B. „die mündigen Schweizer“) können ihre Stimme abgeben zu gewissen Fragen wie der Staatsapparat genau herrschen soll, wer in ihm herrschen soll, et cetera. Die Mehrheit des Wählervolkes hat Recht, weil anscheinend die blosse Tatsache, dass mehr Leute für etwas sind, dieser Sache schon den Glanz der Richtigkeit verleiht. Die Wähler können natürlich nicht über alles abstimmen, zu grundlegende Dinge überlassen sie lieber irgendwelchen Berufspolitikern. Die Ausführung ihrer „Entscheidungen“ haben sie so oder so längst delegiert, was sie interessiert, ist eigentlich nur, ihren elenden Alltag bequem fortsetzen zu können. Für den Staat sind die Wahlen und ähnlicher Schwachsinn natürlich eine ganz praktische Sache, ungefähr wie bei einer Produktumfrage stellen sie sicher, dass die Wähler zufrieden sind, und wird daran abgemessen, wie weit man mit der Ausbeutung der Welt in Zukunft gehen kann. Demokratie ist heute der Name für das formelle Prozedere, zu der Scheisse, die hier läuft, auch noch die eigene Unterschrift zu geben, um weiter in Gleichgültigkeit dahinzuleben und sich niemals grundlegende Fragen zu stellen. Demokratisch nennt sich heute der Staat und diese Gesellschaft von Untertanen. Demokratie sei angeblich keine Unterdrückung, wird behauptet, und trotzdem sehen wir Staat, Ausbeutung, Armut, Gefängnisse, Überwachung und Polizei…

Wir scheissen auf die Demokratie!

Sobald wir das sagen, können wir sicher sein, dass sich irgendein Demokrat auf die Füsse getreten fühlt. Die kritischeren unter ihnen werden uns sagen: „klar, ihr habt ganz recht, zu sagen, dass der Staat schlecht ist. Aaaaber: das, was heute Demokratie genannt wird, ist gar keine, es ist eine Pseudo-Demokratie, es ist die Herrschaft einer Minderheit und nicht des ganzen Volkes, sie ist bestimmt vom Geld, was undemokratisch ist, und sowieso echte Demokratie wäre: bla, bla und bla…“

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: sie haben recht, das System unter dem wir Leben, Demokratie zu nennen, gleicht – angesichts dem demokratischen Ideal – einem schlechten Witz. Es ist effektiv so, dass im grossen und ganzen eine Minderheit von Parlamentariern herrscht, die zudem noch ihre Macht hauptsächlich erkauft hat, und es stimmt auch, dass die Macht des Parlaments ein blosses Spektakel ist und schlussendlich die Wirtschaft und die Unterschiede zwischen arm und reich völlig ausgeblendet werden.

Darüber, ob die Demokratie hier nun verwirklicht sei oder nicht, wollen wir uns aber gar nicht streiten – das überlassen wir gerne den Demokraten, die dieses Land en masse bewohnen; wir wollen hier nur zeigen, wie die Idee der Demokratie, und sei sie direkt und „nicht-parlamentarisch“, der Freiheit entgegengestellt ist, und dass sie, wie das alle Systeme tun, einen immensen Schaden an der Realität ausübt, der sie aufgedrückt wird. Wir selbst haben kein Interesse daran, irgendeine Form von Demokratie zu verwirklichen, wir betrachten sie hier nur etwas genauer, weil sie des Öfteren Verwirrung stiftet; teils so stark, dass einige gar glauben, sie wäre ein Werkzeug zur Befreiung…

Das Volk herrscht…

Um demokratisch zu sein, muss erstmal eine Einheit definiert werden, die entscheidet. Genaugenommen müsste es „das Volk“ (griechisch: demos) sein (obwohl dieser Begriff alles andere als genau ist…), dass dann das Monopol zur Entscheidungsfindung bekommt. Um demokratisch zu sein, muss dieses Volk also zuerst mal den Willen haben, eine gemeinsame Entscheidung zu finden. Und hier ist es, wo die Demokratie herrscht, wo mit aller Autorität ein Volk produziert wird, wo alles integriert werden, jeder Widerspruch neutralisiert werden muss. Und dies trifft auch auf die radikalsten Demokraten zu – die sogar den parlamentarischen Staat kritisieren – nur, um das wesentliche des Status quo aufrecht zu erhalten; die verhindern wollen, dass irgendwo ein Konflikt auftaucht, der nicht gelöst, sondern nur gelebt werden kann, die den „Frieden“ aufrecht erhalten wollen, die Einheit, oder sie erst erreichen wollen; die nicht akzeptieren können, dass das Leben in Freiheit sich in verschiedenste Richtungen entwickelt und dass dies zu Widersprüchen führt; die nicht kapieren, dass das Leben in Kasten zu stecken, zu kontrollieren und zu halten, genau das ist, was das Problem ist.

Das Volk kann nun, ist es erst mal (re-)produziert, Entscheidungen finden, die es, bzw. das Exekutivorgan, dann durchsetzt. Diese Entscheidungen kann es auf verschiedene Arten finden, per Mehrheitsabstimmung, Zermürbungs-Diskussion bis zum absoluten Konsens oder sonstwie. Wie auch immer, in jeder demokratischen Form, auch in der „nicht-staatlichen“, muss sich eine Art Mini-Parlament entwickeln, das die Entscheidung verkündet und (re-)präsentiert. Eine Entscheidung, die sogar als permanenter verfassungsgebender Akt der Volks-Vollversammlung gedacht werden könnte, trotz allem müsste aber jede Abweichung von ihr denunziert und sanktioniert werden; ansonsten wäre „die Souveränität des Volkes“ nicht gegeben. Jedes Individuum und jede Gruppe aber, die selber eine Entscheidung trifft (die alle betrifft), sie selbstorganisiert ausführt und nicht auf eine Mehrheit (oder gar auf alle) abstützt, muss, streng demokratisch gedacht, auf die eine oder andere Weise neutralisiert werden, sei dies mit Gewalt, oder diffuser, psychologisch oder durch Integration.

Die jeweilige Einheit kann natürlich von Konflikten zerrissen sein und ist das heute auch offensichtlicher denn je, man betrachte z.B. nur einmal die komplett gegensätzlichen Interessen, die ein Bonze und ein Sozialhilfebezüger nur schon wegen ihrer finanziellen Situation haben müssen. All das wird in der Demokratie komplett ausgeblendet. Die demokratische Einheit – das Volk – ist schlichtweg Vereinheitlichung. Sie ist keine Vereinigung von Individuen um ihrer selbst Willen, sondern eine erzwungene Einheit, die etwas über den vereinigten Individuen ist und jede individuelle, unkontrollierte Initiative auslöscht. Wir aber wollen von den wirklich Handelnden ausgehen (und vor allem mit der heutigen Passivität brechen) und sagen deshalb, dass jede reale Vereinigung nur im Sich-vereinen der Individuen existiert, und ansonsten nur ein Herrschaftsverhältniss werden kann (die Einheit (Volk, Organisation) wird aufrechterhalten von einigen Leuten, die die anderen in diese Einheit integrieren, was heisst: einsperren, einzwängen, darin festhalten).

…und die Bürger

Was produziert werden muss, um eine Demokratie überhaupt am Laufen zu haben, ist ein braver (schweizer) Bürger. Er muss jede Entscheidung, jeden Kompromiss der demokratisch legitimiert wird, also gesetzeskräftig ist, akzeptieren. Er kann zwar gegen eine Entscheidung protestieren, da er sie z.B. als eine Privatsache ansieht, um darauf aufmerksam zu machen, dass es ein Problem gibt, das es zu lösen gilt; er kann einen Verein gründen, Politiker werden oder einer Partei beitreten; grundlegend darf er allerdings nichts daran ändern, dass über sein Leben entschieden wird, er sich zwar an dieser Entscheidung beteiligen kann und vor allem soll, er sich dieser dann aber zu fügen hat.

Eine öffentliche Versammlung (getrennt von allem, was zur Privatsache gemacht wird, was „nichts in der Öffentlichkeit verloren hat“) von solchen Bürgern soll also im Himmel der direktesten Demokratie herrschen, über alle, die keine Bürger sind, über alle in ihrer Andersheit. Denn, wie die Zivilisiertheit der Bürger dadurch zustande kommt, dass sie die unzivilisierten Teile ihrer Persönlichkeit verdrängen, so kommt die demokratische Ordnung dadurch zustande, dass die Konflikte verdrängt werden, dass alle zu Bürgern und einem „Teil des Volkes“ gemacht werden müssen, oder von jeder Entscheidung ausgeschlossen werden, als Pöbel, der nichts zu sagen hat, der in den Knast gesteckt werden muss, der beim grossen demokratischen Zirkus nicht mitmachen darf, ausser er zivilisiert sich, was natürlich jeder tun sollte. Jeder darf und soll nämlich bei der Demokratie mitmachen. Die radikaleren Demokraten beklagen sich darüber, dass noch nicht alle mitmachen können, bei der Verwaltung der Welt. Wir beklagen uns aber über diese ganze Demokratie und wissen, dass nur die unkontrollierte, individuelle Initiative und die freie Vereinigung und Spaltung uns davon befreien kann.  

(Teil 2)

Im ersten Teil dieses Artikels wurde versucht, aufzuzeigen, wieso wir, als Anarchisten, auch wenn man die heutige Demokratie zu Recht dafür anklagen kann, keine „echte“ Demokratie zu sein (wie das viele soziale Bewegungen tun), sie nicht verbessern wollen, sondern die Idee der Demokratie als solche ablehnen. Es wurde aufgezeigt, wie die Demokratie auf Biegen und Brechen eine Einheit, ein „Volk“ produziert, indem sie die Widersprüche neutralisiert, unterdrückt und unter die Oberfläche verschiebt; wie selbst eine „nicht-staatliche“ Form der Demokratie (für viele das Bild einer freien Gesellschaft) zwangsläufig zu Organen führt, die Entscheidungen aufzwängen, die Herrschaft ausüben; und im Allgemeinen, wie die Produktion des braven, akzeptierenden und den Spielregeln folgenden Bürgers die Grundlage jedes demokratischen Systems bildet. In diesem zweiten Teil soll das demokratische Ideal und seine Funktion etwas genauer betrachtet werden.

Perfektionierung des Bestehenden

Schauen wir uns an, was normalerweise dabei herauskommt, wenn angestrebt wird, eine direkte, „echte Demokratie“ zu praktizieren. Beispiele solcher Bestrebungen gibt es genug, der Slogan „wir sind die 99%“ wird wohl einigen hängengeblieben sein und drückt den demokratischen Gedanken der Mehrheit auch bestens aus. Diese imaginierte Mehrheit, die sich darüber empört, das ihnen der Kapitalismus nicht fair genug ist. Sie wollen das System nicht zerstören, ja, sie betonen immer und überall ihre Friedlichkeit; d.h. ihre komplette Angepasstheit an die herrschenden Normen. Das reibungslose Funktionieren des ökonomischen Getriebes wird so keineswegs gefährdet, eben weil sie dieses Getriebe verteidigen, gegen die, die es ihnen übertreiben mit Börsenspekulation und Grössenwahn. Aber nicht nur gegen diese „Machtmissbräuche“, denn sie werden auch immer die „Chaoten“, „Gewalttätigen“, „Krawallmacher“ aufhalten, denunzieren und ausliefern.

Natürlich haben auch diese Demokraten eine Kritik an der heutigen zentralistischen Demokratie. Ja, die Demokraten sind selbst anarchistischer Kritik gegenüber ganz offen eingestellt. Aber sie benutzen alle Kritik zum Erhalt des Bestehenden. Deshalb sind die Demokraten auch tolerant gegenüber wirklich radikalen Ideen. Um sie zu verwässern, damit sie die Radikalen dazu bringen, am grossen Tisch der Demokratie mitzudiskutieren. Alle Veränderung, die diese Demokraten wollen, wollen sie als Evolution dieser Zivilisation. Sie stellen das System, die Gesellschaft, nicht als solches in Frage. Das, was sich entwickelt, ist aber das Problem. Diese Zivilisation, ihre Grundlagen. Während wir ihre komplette Zerstörung wollen, fragen sich die meisten Demokraten, wie sich diese Zivilisation besser entwickeln könnte. Wie sie ihren Herrschaftsanspruch humaner, partizipativer, demokratischer Gestalten kann. Wie diese Zivilisation ohne ihre übelsten Auswüchse wie Atombomben, Nationalstaaten, et cetera auskommen kann, nur um die alltägliche Zerstörung und Ausbeutung der Welt beibehalten zu können. Die Demokratie hat immer ein Bestehendes zur Grundlage, normalerweise das heutige. Es kommt der Bruch nicht vor, weil die Demokraten nicht über das staatliche Denken hinaus kommen. Sie legen immer eine bestehende Gesellschaft fest (zum Beispiel „die 99%“), einen Status quo, den es zu konservieren gilt. Der wird dann demokratisch verwaltet, die Demokratie vermittelt zwischen allen verschiedenen Tendenzen „in ihr“ und das Prozedere der Ab-stimmung (wie auch immer es geschieht) entscheidet, was richtig ist. Also nicht Ich soll entscheiden, mir die verschiedenen Ansichten anhören, und dann danach handeln, wie ich es für richtig halte, sondern „alle“ (zu denen Ich gehören soll, obwohl irgendwie doch niemand „alle“ ist), sollen das (für mich) tun. Nicht nur, dass die Frage nach dem Was völlig ausgeblendet wird, solange das demokratische Prozedere ja nur angewendet wurde. Auch wird meine Eigenständigkeit komplett negiert. Was den radikalsten Demokraten vorzuschweben scheint, ist die weltweite Verbreitung der Untertanenmentalität, aber ohne einen, der über den anderen steht. Untertanen ohne Chef. Anpassung an die Mehrheit. Unterwerfung aller unter alle. Eine komplett kontrollierte Gesellschaft, mit dem Unterschied zur heutigen, dass die Kontrolle nicht von spezialisierten Organen ausgeführt wird, sondern… wie auch immer. Wir haben keine Ahnung, ob so eine Entwicklung überhaupt möglich wäre. Die demokratische Vorgehensweise ist ein direktes Hindernis für Individuen, die sich befreien wollen. Weil sie suggeriert, dass Kontrolle und Gehorsam an und für sich notwendig sind, um überhaupt zusammenleben zu können.

Das Kompromisseln

Die demokratische Idee hier und heute anzuwenden, ist also offensichtlich absurd. Soll die Demokratie heute praktiziert werden, ist sie eine Bindung und Anpassung an das Bestehende; an die bestehende Gesellschaft, an den bestehenden Kompromiss! Doch im Utopischen, jenseits der heutigen Gesellschaft, wollen sie einige praktizieren. Sie glauben, dass, wenn „das Volk“ sich befreit hat, dieses Volk sich dann demokratisch verwalten soll. Die Demokratie soll in der utopischen, idealen Gesellschaft praktiziert werden, wo es nur noch Einheit geben soll. Doch, sobald die Demokratie angewendet wird, wird sie zur konservativen Kraft, weil sie den Zustand, den sie als Gegeben annimmt, aufrechterhält, durch eben den Mechanismus, diesen Zustand als Gegeben anzunehmen, als genügend, um ihn als Grundlage für die Ewigkeit zu nehmen. Die Demokratie ist und bleibt eine statische Idee, die ihre Entwicklung allen anderen Entwicklungen aufpresst, die die einzige Entwicklung sein will. Das demokratische Prozedere ist die Selektion eines Kompromisses, Selektion aus den verschiedenen widersprüchlichen Richtungen, um diese zu vereinheitlichen. Die Demokratie ist überflüssig, wenn sowieso eine grundlegende Übereinstimmung über die Richtung besteht, weil die Leute dann sowieso in ihre Richtung gehen und handeln können, ohne sich gegenseitig zu stören; und sie ist schädlich, sobald diese gemeinsame Übereinstimmung nicht mehr vorhanden ist, denn ab da muss sie, soll sie weiterhin existieren, sich der Einheit, die demokratisiert werden soll, aufzwingen; wird sie zum Herrschaftsapparat. Da aber die Demokratie in einem harmonischen Zustand überflüssig ist, existiert sie (ob in den Köpfen oder real) nur dazu, künstlich eine Harmonie, ein Zusammenleben zu erzwingen und die Konflikte zu befrieden; dies ist aber immer nur eine oberflächliche Harmonie, die die einzelnen Individuen mit ihren Wünschen in Widerspruch bringt, weil sie sich einem Kompromiss unterwerfen; sie produziert somit eigentlich immer gehorchende Individuen, unterwürfige Individuen, Individuen, die nicht tun, was sie wollen, sondern was sie müssen. Dies, weil die demokratische Mentalität vor allem eins verlangt: die Bereitschaft, sich dem nächstbesten Kompromiss zu unterwerfen. Sich dem Konsens zu unterwerfen, wie auch immer dieser Zustande kommt.

Die Demokratie ist also nie die Zerstörung der Herrschaft, sondern nur ihre Verschiebung. Die Herrschaft des Volkes. Diese Macht ist umso erdrückender. Der Zwang, sich der Norm anzupassen, wird viel direkter ausgeübt, in den direktdemokratischen Paradiesen sogar ohne repräsentativen Schnick-Schnack. So würde aber die Autorität nicht abgeschafft, nicht einmal abgeschwächt, sie würde nur ungreifbarer, anonymer. Und damit auch unangreifbarer, weil irgendwie alle ihre eigenen Bullen wären. Das alles hat nichts mit Befreiung, nichts mit Anarchie zu tun, sondern nur damit, die Herrschaft anders zu legitimieren. Die Demokraten sagen uns, dass die Herrschaft gerecht ist, wenn sie „von allen“ ausgeübt wird, genauso wie uns irgendwelche Monarchisten sagen, dass sie nur gerecht ist, wenn sie vom gottgewollten König ausgeübt wird. Die Demokratie führt trotz ihrer gegenteiligen Behauptungen absurderweise immer zur Herrschaft einer Minderheit, und nur schon das sollte beweisen, dass an dieser Idee etwas faul ist. Aber selbst wenn wirklich die Mehrheit oder sogar „das ganze Volk“ herrschen könnte und uns das wieder als Freiheit verkauft würde, würden wir sagen, dass uns nur der absolute Ungehorsam gegenüber jeder Autorität und die permanente Rebellion dagegen befreien kann, und daran werden hoffentlich früher oder später alle Herrschaftssysteme, seien sie noch so demokratisch, ökologisch und was auch immer, scheitern.

Bruch

Wir wollen also die Zivilisation der Herrschaft zerstören. Das ist die einzige Veränderung, die uns genügt. Wie sich diese Gesellschaft aufrechterhält, ob sie dafür einen zentralistischen Staatsapparat, Bullen und Militär benötigt oder ob das ganz demokratisch durch die blosse Verbreitung der Bullenmentalität und den Gehorsam ihrer Bürger geschieht, geht uns eigentlich mehr oder weniger am Arsch vorbei. Diese Zivilisation ist buchstäblich auf der Autorität aufgebaut. Von der Familie über die Arbeit bis zu der sogenannten Freizeit, die Pest der Autorität verbreitet ihren Gestank überall. Das Ganze stinkt uns. Wir kämpfen für eine Revolution wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Um alle Institutionen, auf denen diese Gesellschaft aufgebaut ist, zu zerstören, und nicht bloss an der Oberfläche zu kratzen. Nicht, um danach neue Institutionen zu errichten, seien sie auch noch so demokratisch. Sondern um uns von der Autorität und vom Gehorsam zu befreien. Um ein freies Zusammenleben zu erproben, nicht erst in der Zukunft, sondern schon heute. Bewaffnet mit unseren Ideen und Überzeugungen warten wir auf keinen Konsens, um anzugreifen. Wir wollen frei Leben, dafür brauchen wir keine Legitimation, und sei sie „das Volk“. Wir vereinen uns mit allen, die sich auch befreien wollen, und wir stellen uns allen entgegen, die die herrschende Ordnung verteidigen. Wir wollen mit den Bürgern, Bullen, et cetera keine demokratische Verständigung. Wir wollen überhaupt gar keine Verständigung mit ihnen, wir wollen ihre Welt zerstören. Wir wollen sie aus unseren Leben vertreiben. Die Zerstörung einer feindlichen Gesellschaft beschliessen wir nicht demokratisch, sondern selber. Der Passivität der kompromisselnden Akzeptanz setzen wir die Aktivität der individuellen Initiative, als Bruch, Revolte und Angriff entgegen. Wir organisieren uns selber und das macht Mini-Parlamente, Gesetze, Verwaltungsräte und Vermittler nicht nur überflüssig, sondern zu unseren Feinden!


(Schluss)


Der Text wurde in zwei Teilen veröffentlicht in "Aufruhr - Anarchistisches Blatt", Zürich, Nummer 7, Jahr 1, und in "Aufruhr - Anarchistisches Blatt", Zürich, Nummer 8, Jahr 1;