Encyclopédie des Nuisances

Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten

1999

      Einleitung (von Anselm Jappe)

      [p. 15 – 19]

      [p. 24 – 32]

      [p. 49 – 55]

      [p. 58 – 63]

      [p. 70 – 71]

      [p. 74 – 75]

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      [p. 103 – 105]

Einleitung (von Anselm Jappe)

Auf den folgenden Seiten wird etwas mehr als ein Drittel des Pamphlets »Remarques sur l’agriculture génétiquement modifiée et la dégradation des espèces« (»Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten«) wiedergegeben. Es hält sich weniger bei den wissenschaftlichen Einzelheiten der Biotechnologien auf als bei der Frage, welche Art von Gesellschaft sie hervorgebracht hat. Herausgegeben wurde es vor etwa einem Jahr von der Pariser Encyclopédie des Nuisances (in etwa: »Enzyklopädie der Schädlichkeiten«) in ihrem eigenen Verlag. Diese Gruppe besteht seit 1984 und gab anfänglich eine gleichnamige Zeitschrift ganz eigener Art heraus: In alfabetischer Reihenfolge erschienen zu praktisch jedem Stichwort, das man in einer Enzyklopädie finden kann, Aufsätze, die aufzeigen wollten, dass von welchem Punkt man auch immer ausgeht, sei es »Abandon« (»Verlassen«) oder »Abondance« (»Überfluss«) oder »Aborigène«, man stets zu den zentralen Punkten der heutigen Gesellschaftskritik gelangt. Nach 15 Nummern (die Buchstabenkombination »Ab« war noch nicht erschöpft) wurde die Zeitschrift 1992 eingestellt und in ein kleines Verlagshaus umgewandelt. Dort erscheinen seitdem einerseits die Schriften der Enzyklopädisten, darunter Texte zum französischen Dezemberstreik 1995, zur nachträglichen Aufklärung des spanischen Giftölskandals der frühen achtziger Jahre, zur neuen hochtechnologischen Pariser Nationalbibliothek, zu den Hochgeschwindigkeitszügen und zur allgemeinen Einschätzung der gesellschaftlichen Entwicklung. Aber auch Texte von George Orwell, von William Morris, Freund von Marx und Begründer der Kunst- und Handwerksbewegung, des in den USA eingekerkerten »Unabombers« und demnächst »Die Antiquiertheit des Menschen« von Günther Anders werden dort verlegt [Anm. der Hg.: Anders ist inzwischen erschienen].

Die Encyclopédie ging ursprünglich von der situationistischen Theorie aus und widmete sich der radikalen Kritik sowohl des Bestehenden als auch fast aller oppositionellen Ansätze. Sie unterschied sich aber im allgemeinen von der sterilen Rhetorik anderer Gruppen, weil ihre Schriften auf einer gründlichen empirischen Kenntnis der behandelten, sehr unterschiedlichen Themen beruhen, in einem brillanten, klassischen Französisch verfasst sind und mit einer eleganten und nüchternen Grafik präsentiert werden. In Lauf der Zeit trat die Kritik des Fortschritts und der von Industrie und Wissenschaft betriebenen Verwüstung des Lebens immer mehr in den Vordergrund. Die vereitelten Entwicklungsmöglichkeiten vor- und frühbürgerlicher Gesellschaften wurden dabei genauso aufgewertet wie die Hellsichtigkeit mancher Autoren, die von der fortschrittsgläubigen Linken unter dem Stichwort »Kulturlinke« abgefertigt werden. Vor allem das Interesse für die gesellschaftliche Rolle der Landwirtschaft führte eine französische Tradition weiter, die noch weniger als in anderen Ländern einfach als »reaktionär« abqualifizieren kann. Bereits in der ersten Nummer der Encyclopédie wurde unterstrichen, dass zum ersten Mal in der Geschichte das revolutionäre Projekt den Selbsterhaltungstrieb für sich mobilisieren kann. Die »ökologischen« Probleme sind kein Sonderbereich der Krise des Kapitalismus, sondern ihr konzentriertester Ausdruck; die Encyclopédie des Nuisances bekämpfte deshalb mit besonderer Energie die von ihr so genannten »Ökolokraten« oder »Staatsökologisten«, die verhindern wollen, dass die überall aufflammenden Kämpfe gegen einzelne »Schädlichkeiten« zu einer Infragestellung der sie erzeugenden Logik führen. Und diese Logik macht die Encyclopédie des Nuisances nicht nur im Kapitalismus, sondern in der ganzen wissenschaftlich-technischen Entwicklung ab der Renaissance aus. Je weiter diese fortschreitet, desto unvereinbarer ist sie mit jeder gesellschaftlichen Befreiung. Sie hat im Gegenteil heute einen Menschentypus hervorgebracht, der nie etwas anderes als die Gesellschaft des Spektakels kennengelernt hat, aber dem man eingeredet hat, alle vorhergehenden Gesellschaften seien abscheulich und barbarisch gewesen im Vergleich zur heutigen. Diese Beschreibung des zeitgenössischen Individuums, das sich mit dem modernen Leben zufrieden gibt, weil es so bequem ist, brachte die Encyclopédie des Nuisances auch dazu, ihre ursprünglich noch vorhandenen Illusionen über das klassische Proletariat aufzugeben. Vor der Gefahr einer bloß »darüberstehenden« Zeitgeistkritik ist sie aber dadurch gefeit, dass sie immer wieder versucht aufzuzeigen, dass die Verarmung des menschlichen Lebens – z.B. der Erfahrung des Reisens durch die TGVs oder des Essens durch die moderne Ernährung – nicht durch die so beliebten Menschenrechte, demokratischen Debatten, kritischen Verbraucher und den allgemeinen Zugang für alle zu den Segnungen der Marktwirtschaft (auf den sich die Thematiken des Feminismus und Antirassismus oft beschränken) überwunden werden kann, sondern nur durch den Bruch mit der »freiwilligen Knechtschaft« (La Boétie). Was der Encyclopédie des Nuisances dabei vielleicht hinsichtlich einer gesellschaftlichen Vertiefung der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie fehlt, wird aufgewogen durch die Gabe zur beißenden Formulierung und die Kompromisslosigkeit ihrer Kritik, die sie ohne Zugeständnisse an den Medienzirkus verbreitet. Vor allem Jaime Semprun weist in seinem 1998 veröffentlichten Pamphlet »L’Abîme se repeuple« (»Der Abgrund bevölkert sich erneut«) darauf hin, wie sehr die Linke, auch die radikalste, oft nur die Speerspitze der Modernisierung des Kapitalismus ist und diesem beim Kampf gegen »alles alte« und noch nicht völlig von der Warengesellschaft Durchdrungene hilft. Trotz aller Unterschiedlichkeit der Ausgangspunkte zeigen sich hier manche Parallelen zu Analysen wie der in Robert Kurz »Schwarzbuch Kapitalismus«. Nach und nach entstehen so vielleicht, von verschiedenen Seiten, die theoretischen Grundlagen eines sozialen Emanzipationsprojekts, das nicht mehr ein Ableger der bürgerlichen Freiheit und Gleichheit der »schönen Maschine« ist.

Die »Bemerkungen« wurden, ebenso wie einige vorhergehende Schriften der Encyclopédie des Nuisances, erstaunlicherweise auch in der großen bürgerlichen Presse (Le Monde) gelobt. Sie sind bereits auf Spanisch und Italienisch erschienen.

Anselm Jappe, Ende 2000.

[p. 15 – 19]

Nicht nur Wunschträume von therapeutischer Perfektion und Unsterblichkeit per Klonen haben die Biotechnologien uns zu verkaufen (die technischen Großtaten, die mit Sicherheit eines Tages vollbracht werden, dürften, ihrer exorbitanten Kosten wegen, ohnehin einer verschwindend kleinen Minderheit vorbehalten bleiben). Viel prosaischer und ohne zu warten haben sie damit begonnen, in der Landwirtschaft genetisch »angereicherte« Arten durchzusetzen, wobei das Schreckgespenst des »menschlichen Klonens«, als phantastische Monstrosität, dazu diente, die allzu wirkliche Monstrosität der »GMO« (Genetisch modifizierte Organismen) zu verniedlichen (die mit diesem harmlosen, bereits banalen und fast vertrauten Kürzel ausradiert wird). Auch hier beschreibt die Propaganda wieder eine rosige Zukunft, in der der Hunger allenthalben besiegt und die Landwirtschaft endlich »umweltfreundlich« wäre (zudem verspricht man uns Obst und Gemüse, die »uns vor Krankheiten schützen« sowie Pflanzen, die zu »natürlichen Fabriken zur Herstellung pharmazeutischer Moleküle« verwandelt würden). Gewiss ist die Zahl derer, die an die zukünftige Existenz einer solchen Manna, die zugleich Allheilmittel ist, glauben, gering (selbst die Experten der F.A.O. geben sich »zurückhaltend«, was den Nutzen der Biotechnologien in Ländern anbetrifft, wo sie eben Wunder zu wirken hätten); doch damit alles in der Überstürzung der Ereignisse über die Bühne geht, bedarf es lediglich der resignierten Anpassung derer, die das Gefühl ihrer eigenen Integrität irgendwo zwischen ihrem Handy, ihren Neuroleptika und dem Computer verlegt haben und die eine Tomate mit Fischgenen nicht weiter zu stören vermag.

So hatten die Dinge ihren gewohnten Lauf – den von der Unterwerfung bis hin zur vollendeten Tatsache – genommen, als im Januar 1998 etwa hundert Mitglieder der Confédération paysanne in Neyrac einen exemplarischen Sabotageakt vollbrachten: transgener Mais der Firma Novartis wurde für die soeben vom französischen Staat genehmigte Kommerzialisierung unbrauchbar gemacht. Dieser Griff zur direkten Aktion, die mit unverhülltem Gesicht im Namen des allgemeinsten Interesses durchgeführt wurde, setzte sich scharf ab von der Verzagtheit der Einwände und Vorwürfe, die bis dahin der »Life-science-Industrie« entgegengehalten worden waren. Und genauso deutlich konnte man in der Erklärung, die René Riesel, der sich mit zwei Genossen vor dem Gericht von Agen für diese Zerstörung zu verantworten hatte, abgab, die Akzente der anti-industriellen Subversion wiedererkennen, jener unbekannten Revolution, die, seit den Ludditen und den Canuts, wie ein geheimer Faden die Geschichte der sozialen Kämpfe durchläuft. Dieses so gut gesetzte Fanal vermochte es jedoch nicht, einen entschlossenen Widerstand gegen die biotechnologische Vervollkommnung der Enteignung hervorzurufen, auch nicht unter den am direktesten betroffenen – den Bauern. Der so schöne Beginn blieb praktisch ohne Folgen, auch innerhalb der Confédération paysanne, in der Riesels Position offensichtlich minoritär geblieben ist. Der wissenschaftsgläubigen Wahrsagerei, die die getroffenen Entscheidungen der Überprüfung enthebt, indem sie einhämmert, das allein die Zukunft deren Verdienste zeigen wird, gälte es die Entschlossenheit des Apriori-Urteils entgegenzuhalten (nämlich dass nichts Gutes von Spezialisten kommen kann, die nur darauf drängen, ungehindert ihre »Technosphäre« drehen zu lassen und dass von ihnen irgendeine Emanzipation zu erwarten, etwa der Aufforderung an die Gefängnisverwaltung gleichkäme, ein freies Leben zu definieren), denn gerade daran mangelt es heute, da das Abdanken vor dem Utilitarismus, dessen letzte Erscheinungsform der ökologische Rationalismus darstellt, nur noch die Diskussion über die Anwendungsmodalitäten der technischen Erpressung übrig läßt: Auszeichnung, Rückverfolgbarkeit, sanitäre Kontrollen, usw.

Der Gegner der Verbreitung »genetisch modifizierter Organismen« führen ins Feld, dass diese womöglich unwiederrufliche Schäden für das »Ökosystem« mit sich bringen könnten. Ihre Anrufung eines »Vorsichtsprinzips« begleiten sie dabei mit dem rituellen Aufruf, wir mögen an »unsere Kinder« und »Kindeskinder« denken. Indem sie ihre Argumente um das Thema »An die Zukunft denken« entwickeln, wirken sie nicht sonderlich überzeugend. Nicht nur, weil sie von Vorsichtsmaßnahmen, Moratorien und Versuchen reden, wo doch klar ist, dass der Schuss bereits losgegangen ist (schon 1998 erstreckten sich die verschiedenen genetisch modifizierten Kulturen weltweit über eine Fläche von 30 Millionen Hektaren), sondern vor allem, weil die Wirksamkeit der Propaganda zugunsten der futuristischen Entfremdung eben auf der Tatsache beruht, dass die Zukunft schier undenkbar geworden ist und die Szenarios der Transgenetiker sich nicht einmal mehr durch eine besondere Absurdität hervortun. Alle spüren, dass niemand um den »Sprung ins Unbekannte« herumkommen wird und wenn die Frage lautet »Wie ernähren wir sieben, acht, neuen, zehn Milliarden Menschen«, dann mag die Antwort sehr wohl auf Transgenese lauten (nicht die Demographie als solche ist es, die die Verpflichtung schafft, auf die Transgenese zurückzugreifen; wenn aber alle anderen Lösungen – Eigenbedarfkultur, lokale Autonomie, usw. untersagt worden sind, ist die Demographie als statistische Wirklichkeit ein zusätzliches Argument für technisch-bürokratische Lösungen, die stets anderswo und von anderen gewählt werden. Vielleicht hätte die Erde ohne weiteres und nicht ohne Annehmlichkeiten für alle, die sechs Milliarden Individuen, die wir sind, tragen können, doch kann man sich denken, dass dies notwendigerweise unter der Bedingung von Sitten, Gebräuchen, Glaubensätzen, Lebensweisen und eines Naturverständnisses hätte geschehen müssen, die nichts mit den unsrigen gemein haben und die unvereinbar wären mit der industriellen Ökonomie, ihrer Religion des technischen Fortschritts und dem, was sie aus uns gemacht hat.). Sicher wird das durchschnittliche falsche Bewusstsein, wohlinformiert wie es ist, zugeben, dass die Harmlosigkeit der Biotechnologien nicht garantiert ist; doch was wiegt diese Ungewißheit, wenn – vom Klimawandel bis zur gefährdeten Wasserversorgung – so viele andere beunruhigende Phänomene bereits auf uns eindringen, um die Reflexion im Keim zu ersticken und jegliche Distanznahme mit den technischen Sachzwängen und den Weisungen der Herrschaft zu unterbinden (die Propaganda lässt es sich nicht entgehen, darauf hinzuweisen, indem sie beispielsweise die Benutzung eines gegen ein Antibiotikum – das Ampillicin – resisten Gens als Marker damit rechtfertigt, dass 50 Prozent der Bakterien unseres Verdauungsapparats bereits dagegen resistent sind). Nicht das »Denken an die Zukunft« sondern das Denken schlechthin sieht sich so mit Lähmung geschlagen. Dies illustrieren, auf ihre unglückliche Art, die Gegner, die um als »verantwortungsbewusst« anerkannt zu werden, ihr Urteil über die Biotechnologien aufschieben, indem sie erklären, die guten medizinischen Seiten von vornherein anzuerkennen und eine »breite öffentliche«, »demokratische«, usw. Diskussion fordern. Wer, um ein Urteil abzugeben, solange warten will, bis die Auswirkungen der Biotechnologien konstatiert werden können, so wie man das Ergebnis eines Experiments abwartet, um über die Gültigkeit einer Hypothese zu befinden, der vergisst unter anderm, dass wir die Versuchskaninchen dieses Experiments sind (bereits übersättigt mit transgenem Soja durch das Lezithin, das sich in zahlreichen industriellen Snacks, vor allem in Süssigkeiten, befindet: wenn es einen Augenblick gibt, an »unsere Kinder« zu denken, dann wohl jetzt). Wer dies tut, der will vor allem nicht über das nachdenken, was wir vor Augen haben (oft hört man den Einwand, Nachdenken sei unnütz, da »nichts zu machen« sei, doch wird so nur gerechtfertigt, das zu unterlassen, womit man anzufangen hätte, sei es auch nur zu denken), es nicht einmal in seiner Monstrosität sehen. Es handelt sich hierbei nicht um ein Bild, eine Übertreibung oder, wenn es eine ist, dann solch eine, die es ermöglicht, sich an das zu erinnern, was auf auf dem Spiel steht, indem wir den »den Umriss...übertreiben ; und zwar um so viel, wie dieser gewöhnlich untertrieben wird« (Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, S. 236). In der Tat, auch ohne Examinierung der in den Laboratorien geschaffenen Chimären, den Kröten ohne Kopf und anderen Minotauren, wissen wir – mögen wir es auch verdrängen und vermeiden, daran zu denken -, dass die Transgenese definitionsgemäß Monstren im wahrsten Sinne des Wortes hervorbringt, Arten neuer Wesen, die existieren, ohne dass man sie klassifizieren könnte und die keiner bekannten Kategorie angehören: Mäuse mit menschlichen Wachstumshormonen, eine »Schaf-Ziege«, eine zu einer »regelrechten Plastikfabrik« umgewandelte Senfpflanze, hämoglobinproduzierende Tabakpflanzen, Tomaten, die, besserer Frostresistenz wegen, mit Genen von Kaltwasserfischen verbessert wurden, Kartoffeln mit Hühnergenen, usw.

[p. 24 – 32]

Wenn der Haufen der Söldner-Forscher der Industrie sich auf »die Wissenschaft« beruft, dann wäre es vielleicht angebracht darauf einzugehen, worin das völlige Verschwinden der oft beschriebenen materiellen Bedingungen des wissenschaftlichen Bewusstseins besteht. Denn es hieße der Usurpation, die sich den Anschein von Alter zu geben sucht, indem sie sich betrügerisch den Namen von Wissenschaft zulegt, wirklich zuviel der Ehre zu tun, räumte man ihr auch nur ein Gran des Kredits ein, den man früher der objektiven Kenntnis und der kalten Vernunft gewährte; denn dies würde bedeuten zuzugeben, dass man ihr gegenüber nur sentimentale oder moralische, ja gar mystische Einwände geltend zu machen habe. Die erste und wichtigste dieser unerläßlichen Bedingungen für die wissenschaftliche Erkenntnis war eine undurchlässige Trennwand zwischen der künstlichen Umgebung der Beobachtung und des Experiments einerseits und den Wirren der Welt andrerseits. Als diese Trennwand an Undurchlässigkeit verlor, als durch Zufall die Wirren der Welt (die unendliche Vielfalt gegenseitiger Bestimmungen und Aktionen) in das abgeschottete Milieu des Experiments einbrachen, gab es nichts mehr zu beobachten: Die Bedingungen für die wissenschaftliche Erkenntnis waren nicht mehr beisammen. Nun, ein Zufall dieser Art, aber von ganz anderer historischer Tragweite, hat sich im XX. Jahrhundert ereignet, gewissermaßen in umgekehrter Richtung, nicht durch das Eindringen der Welt in das abgeschottete Milieu, sondern durch die Invasion der Welt durch das abgeschottete Milieu: Die in der künstlichen Umgebung des Experiments entwickelten Verfahren und Techniken haben die Welt so gut durchdrungen, haben sich mit ihr soweit verstrickt, dass es unmöglich geworden ist, in ihr noch Ursachen und Wirkungen auszumachen und dass es durch Beobachtung nichts mehr zu erkennen gibt; weder das Funktionieren eines in sich geschlossenen mechanischen Systems noch eine durch die Verkünstlichung unzerstörte Natur. So kann man sagen, dass die Wissenschaft, die, um ihres Aufbaus halber, die Welt in der Theorie »opfern« musste, sie schließlich in der Praxis geopfert und sich bei gleicher Gelegenheit selbst zerstört hat, da die Position des reinen Beobachters, welche die des Gelehrten war, in jeder Hinsicht unhaltbar geworden war.

Die sogenannte klassische Wissenschaft (die sich vom XVII. Jahrhundert bis zu Beginn des XX. entwickelt hat) hatte sich eine Vorstellung von der Welt durch die Analogie zwischen den Gesetzen der Natur und den Bedingungen der menschlichen Arbeit geschaffen. »Dank der Tätigkeit des Menschen (...) etabliert sich die Vorstellung der Kausalität, die Idee, dass eine Bewegung die Ursache einer anderen ist (...). Um die individuell genommenen Phänomene zu verstehen, müssen wir sie der universellen Verkettung entreißen, sie isoliert betrachten; aber dann erscheint bei den aufeinander folgenden Bewegungen die eine als Ursache, die andere als Wirkung.« (Engels, Dialektik der Natur.) Da nichts in der Natur isoliert geschieht, so konnte die Erkenntnis der Phänomene nur gewonnen werden, indem die konkrete Totalität methodisch vernachlässigt wurde, jenes »geheimnisvolle Labyrinth«, das – so Galilei – die Welt für den war, der sie nicht mittels der Sprache der Mathematik entschlüsselte. »Man vernachlässigt die Welt, weil man es muss und da man die Mathematik nicht zu einem geringeren Preis auf die Dinge anwenden kann, wendet man sie um den Preis eines unendlichen Irrtums an« (Simone Weill). Das Labor war die realisierte Utopie dieses körperlosen Wissens, ein künstliches, abstraktes Milieu, in dem man dem Spiel der »Naturgesetze« ohne das Hindernis, die Irrtumsquelle, die die Natur selbst bildete, beobachtete; und jedes Experiment, das alle »irrationalen und störenden« Elemente eliminierte, sowohl von Seiten des Subjekts wie von Seiten des Objekts, und sich bemühte, sein materielles Substrat auf das zu reduzieren, was mathematisierbar ist, war in Wirklichkeit die Fabrikation einer Maschine, einer kleinen Maschine nach dem Bild der großen Maschine des Universums. »Verstehen heißt fabrizieren«, hatte der Pater Mersenne zu Beginn dieser mechanistischen Wissenschaft gesagt, die sich jegliche Sorge um das Gute und das Schöne über Bord geworfen hatte – im Gegensatz zur griechischen Wissenschaft, die die Ordnung, die Harmonie, die Proportion denken wollte, im Gegensatz auch zum vitalistischen Materialismus der Aufklärung, für den »die Gesetze der Natur sich keineswegs im Gegensatz zu einer wahrnehmbaren Ordnung der Natur fanden« -, die aber zumindest, als partielle Erkenntnis, gewisse Beziehungen zum Wahren unterhielt, solange ihre Experimente irgendwie meßbar mit der menschlichen Aktivität und ihren materiellen Bedingungen waren. Es war die Kernphysik, die zu Beginn des Jahrhunderts, sogar noch bevor sie das »geschlossene Feld« des Experiments durch ihre explosiven technischen Anwendungen zerstörte, es durch die durch den Maßstabswechsel ihrer Beobachtungen zerstörte, der die Struktur des Experiments auflöste, indem er erneut allemöglichen »irrationalen und störenden« Elemente, »unerkennbare« Größen einführte: eine Infra-Welt von Partikeln oder Ladungen, mit mechanischen oder geometrischen Begriffen unbeschreibbar und ebensowenig begreifbar zu machen, indem man sie wieder zu irgendeinen, eine Arbeit bewerkstelligende, Maschine zusammenfügte. Es ist somit kein Zufall, sondern vielmehr die Wirkung einer übergeordneten historischen Notwendigkeit, wenn eben diese Kernphysik, die begann, die Kausalität, die mechanische Erkenntnis der Beziehungen von Ursache und Wirkung zu disqualifizieren, um mit statistischen Annäherungen und Wahrscheinlichkeiten vorliebzunehmen.

Die Unsicherheit, die sich daraufhin der Physik, jener mechanistischen Wissenschaft par excellence, bemächtigte, war eindeutig der Tatsache geschuldet, dass die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Objekt des Experiments und die Vorherrschaft des Subjekts in dessen Ablauf, bis dahin ignoriert und verdrängt, als »irrationales« Element zurückkehrten. Indem das gelehrte Subjekt die unzähligen unvorhersehbaren und unkontrollierbaren Faktoren zur Bestimmung der Welt ins »Abseits« stellte und von ihm kontrollierbare Vorbedingungen bestimmte, hatte es nur die unendliche Komplexität der reziproken Aktionen eliminiert, um selbst, als Experimentator, alleinige Ursache des beobachteten Phänomens zu werden. Und nachdem es seine Untersuchungen so weit von der Domäne des gemeinsamen Experiments entfernt hatte, und mit so vielen neuen Mitteln, musste es schließlich eingestehen, dass es die Realität herstellte, die es nur beobachten wollte. So spielte das Laboratorium ein letztes Mal die Rolle der »kleinen Welt«, in der man entdeckte, wie die Dinge in der großen vor sich gingen: Aber dann hätte die Schlussfolgerung, die aus dem Experiment zu ziehende Lehre, sich auf das Subjekt erstrecken müssen, auf die erreichte materielle Macht, die man nun zur Vernunft bringen musste, wollte man nicht, im Gegensatz zur Maxime von Mersenne, letztendlich eine unverständliche Welt fabrizieren; denn der »unendliche Irrtum«, um dessen Preis diese materielle Macht erlangt worden war, hatte sich mit ihr, um ein Labyrinth parzellierter Erkenntnisse hervorzubringen, das finsterer als je zuvor war. Was geschehen ist, wissen wir. Die nunmehr vollendete Auflösung des wissenschaftlichen Geistes hat begonnen, als sein operativ gewordenes Trennungsvermögen, nachdem die Mittel zur Untersuchung und Aktion die Mittel zu Vorstellung und Verständnis weit hinter sich gelassen hatten, es erlaubte, die Welt zu zerstören, ohne sie zu verstehen. Seitdem führt die ruinierte Totalität eine gespenstische Existenz in den willkürlichen kosmogonischen Spekulationen der Physiker – die nur noch armselige Metaphysiker sind, wie die Verehrer der Quanten, die sich mit ernster Miene fragen, ob die »Realität existiert«? Technische Mittel, die sich durch ihre Maßlosigkeit unserem Vorstellungs- und Verständnisvermögen entzogen, wieder auf die Proportionen der menschlichen Urteilskraft zurückzuführen, war sicher keine »wissenschaftliche« sondern vielmehr eine gesellschaftliche und revolutionäre Aufgabe, doch ihre Durchführung allein hätte die Wissenschaft vor der Unvernunft retten können, die sie mit sich fortzog. Dass dies nicht geschah, ist eine der Katastrophen dieses ausklingenden Jahrhunderts gewesen oder war vielmehr eines der Gesichter der langen Katastrophe, die dieses Jahrhundert war.

Die genetische Manipulation, letzter Durchbruch der technischen Macht ohne Denken, reißt schließlich die natürlichen Barrieren nieder, die bislang ein letzter Schutzwall gegen die industrielle Hybris geblieben waren. Aber damit fällt auch die letzte Schranke, die die parzielle Rationalität der mechanistischen Wissenschaft davor bewahrte, in aktive Megalomanie umzuschlagen. Die Tätigkeit der Biologen, die bis zur Erfindung der DNS die Dialektik der Natur zugunsten der fragmentarischen Erkenntnis derselben vernachlässigte, ließ wenigtens die Welt mehr oder minder in ihrem Zustand. Von dem Augenblick an jedoch, da sie unternimmt, einen einzigen Organismus in ihren Laboratorien zu modifizieren, beginnt die Biotechnologie ein Experiment im Maßstab des Planeten, das heisst alles andere als ein Experiment. Denn das künstlich, zum Zweck der Modifikation und Vervielfältigung isolierte DNS-Stück lebt real nur als Teil einer organischen Totalität, und kann mit seinen neuen Qualitäten nur erkannt werden, wenn es wieder eingesetzt worden ist, zunächst in einen lebenden Organismus, dann in die große Welt, wo dieser eben lebendig ist. Was im Labor erkannt wird, ist stets nur das »Leben« im Labor, das heißt in dem Fall nichts: ein »Gen-Baukasten«, eine künstliche Konstruktion, die als Lebensform erst untersuchbar wird, wenn sie wieder in der Natur gebracht wird. (Niels Bohr, der sich glücklich schätzte, dass »die Fortschritte der Atomphysik« »weite Anwendungen in der Biologie gefunden« hätten, erkannte nicht weniger, dass die Durchführung eines Experiments, das es erlaubt, die biologischen Funktionen zu kontrollieren, um sie in physikalischen Begriffen zu beschreiben, »selbstverständlich Beobachtungsbedingungen erfordert, die unvereinbar mit dem Leben sind«; das Zauberwerkzeug, das es erlaubt, die biologischen Funktionen zu kontrollieren, um sie in physikalischen Begriffen zu beschreiben und sie unter Beobachtungsbedingungen zu studieren, die unvereinbar mit dem Leben sind, ist gerade die digitale Simulation auf dem Computer, dem wichtigsten Arbeitsgerät der Genetiker.) Erst wenn dieser genetisch modifizierte Organismus zu dieser Einheit mit der Natur zurückgeführt wurde, wird er »existieren«, und es steht außer Zweifel, dass er durch diese Einheit verändert wird, so wie er diese seinerseits verändert. Deswegen grenzt Leichtsinn an Dummheit bei denen, die Wachsamkeit und Garantien einfordern, kurz eine Abgrenzung nach der alten Art der experimentellen Methode: entweder die Versuche sind abgegrenzt und dann sind es keine Versuche (sie sagen nichts darüber aus, wie sich die Verbreitung der »getesteten« transgenetischen Pflanzen in der Natur auswirkt), oder sie sind nicht abgegrenzt und dann sind es keine Versuche mehr sondern auf die Welt einwirkende Handlungen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Die »vernachlässigte« Welt, die von der experimentellen Methode links liegengelassen wird, wird in Wirklichkeit das Objekt des Experiments, während sie zugleich weiter vernachlässigt und ignoriert wird.

Man braucht keine besonderen Kenntnisse in der Molekularbiologie zu besitzen, um behaupten zu können, dass die Unternehmungen der Techniker der Manipulation unabsehbare, weil unkontrollierbare Konsequenzen haben werden – unwiderrufliche Konsequenzen. Das qualitative Sein dieser wie Dinge manipulierten Lebensformen, das außerwissenschaftlich, unverstanden und vernachlässigbar bleibt (so wie cirka 84 Prozent des Genoms, die die Genetiker mangels Kenntnis ihrer Funktion »Müll-DNS« genannt haben) und das man glaubt, ruhig eliminieren zu können, um sie durch spezialisierte genetische Softwares zu ersetzen, muss zwangsläufig plötzlich (plötzlich für den technischen Rationalismus) zum entscheidenden Faktor werden; die »Katastrophe« ist dann nur die Gegenreaktion der ignorierten Totalität.

Die industriellen oder natürlichen »Katastrophen« erscheinen unverständlich, gerade weil sie die Trennungen aufbrechen, die der Wissenschaft erlaubt haben, ihre parzellierten Kenntnisse so weit voran zu treiben. Das ist die Dialektik der Natur, die wieder in Kraft tritt. Die technische Verblendung, deren Auswirkungen man gesehen hat, als sie auf die Materie angewendet wurde, um sie zu desintegrieren, wird unweigerlich ebenso zerstörerische Auswirkungen zeitigen, wenn sie sich an das organische Leben macht, um es zu rekombinieren. Das genetische Engineering ist eine ebenso radikale Technologie wie die der Kernenergie, nicht nur, weil beide sich die »letzten« konstitutiven Elemente der Materie und des Lebens vornehmen, indem sie das desintegrieren, was bis dahin als »unteilbar galt« (das Atom oder die Zelle), sondern auch, weil es im einen wie im andern Fall strengenommen keine Versuche mehr sind, weil es die Insularität des Experimentierfelds nicht mehr gibt und »das Labor ko-extensiv mit dem Globus wird« (Günther Anders, Antiquiertheit 1, 259). Was als bloß experimentaler Zustand erprobt präsentiert wird, ist tatsächlich schon vollendete Tatsache und zwar unwiderruflich; denn das Ende der Insularität des Probefeldes manifestiert sich auch auf dem Gebiet der Zeit: Die berühmte Forderung der Wiederholbarkeit des Experiments beinhaltete, zum Ausgangszustand zurückkehren zu können, wiedere bei Null anzufangen, wie das tatsächlich im abstrakten Raum, den das Labor schafft, möglich ist, aber nur dort. Und so kann man dann gegen die Pseudo-Gelehrten den Satz Claude Bernards kehren, demzufolge »wir nur genau kennen, was wir reproduzieren können«, um zu behaupten, dass sie nicht wissen, was sie tun, und sogar, dass sie es nicht wissen können. Die Techniken, denen sie so fügsam dienen, indem sie im Eilmarsch eine Welt einrichten, in der die frühere begrenzte Form der wissenschaftlichen Erkenntnis (nachträgliche Erkenntnis der Phänomene) jede Gültigkeit verliert, eine Welt, in der die Auswirkungen jeden Willen, Kausalitätsbeziehungen herzustellen, überrunden, in der sie, noch bevor sie sie exakt erkennen, neue Ursachen im Überfluss schaffen, wie die pathetischen Versuche, das »Erd-Klima« nun, da es in voller Mutation ist, in Modelle zu fassen (die Schwäche jedes Modells zwingt zur Berücksichtigung unwesentlicher Rohdaten und einen Zuwachs an Rechenpotenz, welche es lediglich erlaubt, die Mängel dieser neuen Simulation zu enthüllen, usw). Das »Vorsichtsprinzip« wird, wie die Menschenrechte, nur deshalb ständig angeführt, weil es völlig unanwendbar geworden ist. Welche moderne Gesellschaft könnte funktionieren, wenn sie die »Menschenrechte« respektiert? Welche Technologie könnte sich weiterentwickeln, wenn sie ein »Vorsichtsprinzip« respektiert? »Uns fehlt die Distanz«, sagt Jean-Marie Pelt und verlangt ein Moratorium zu genetisch modifizierten Organismen. Aber wo haben wir den Abstand, wo lässt uns die technische Flucht nach vorn einen solchen, die uns mit vollendeten Tatsachen bombardiert wie die Transgenese einen Organismus mit seinen »Genkanonen« blind bombardiert? Während die Nihilisten der Mutation seit langem mit den früheren Regeln und Restriktionen gebrochen haben, die die wissenschaftliche Aktivität sich auferlegte, berufen sich allzu viele Opponenten weiter darauf, auf ebenso anachronistische Weise wie tugendhafte Demokraten, die vorgeben, totalitäre Regime an die Respektierung diplomatischer Gepflogenheiten zu erinnern.

[p. 49 – 55]

Die Entrüstung über diese oder jene, oft übrigens mit verdächtiger Faszination ausgemalten, Science-Fiction-Hirngespinste klingt hohl, wenn die Realität der Verkünstlichung zu unserem täglichen Leben gehört. Hört man gewisse Gegner dieser Realität, könnte man meinen, alles hätte in den ländlichen Regionen Frankreichs zum besten gestanden, bevor man daran dachte, dort transgenetischen Mais anzubauen. Im Namen wovon jedoch könnte man sich dem Projekt widersetzen, die Natur der Natur zu modifizieren, wenn man nichts gegen die Agro-Industrie zu sagen hat, die, indem sie Pflanzen und Tiere wie Maschinen behandelte, für sich selbst ein Programm war? Marx hatte im Kapital (I, 529) angemerkt, dass »jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur (...) nicht nur ein Fortschritt in der Kunst (ist), den Arbeiter, sondern auch in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebene Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit«; das Ergebnis dieser Entwicklung besteht darin, »zugleich die Springquellen alles Reichtums« zu untergraben: »die Erde und den Arbeiter«. Und tatsächlich waren der Boden als geduldig bearbeitete lebendige Umgebung und der Bauer mit seinem traditionellen Wissen und seinem intuitiven Empirismus gerade als Quellen eines noch nicht warenförmigen Reichtums Hindernisse für die kapitalistische Entwicklung: Was die Industrialisierung der Landwirtschaft bremste, war letztendlich die Landwirtschaft selbst; die Tatsache, dass man mit der Natur rechnen musste, das heisst mit dem, was nicht exakt berechnet werden kann, und somit auch mit der Kunst, sie zu vervollkommnen, indem man ihren Wegen folgt. Einerseits an die Medizin grenzend, von einer anderen an die Architektur, war diese so vielseitige Kunst zweifellos nie vollständig verwirklicht worden und die bäuerliche Tätigkeit hatte nur »tendiert« zu jenem »heiklen Empirismus, der sich eng mit dem Objekt identifiziert und dadurch eigentlich Theorie wird«; aber in einigen Epochen und an einigen Orten hatte sie sich dem genügend angenähert, dass man darin den ersten Entwurf einer Geschichte, einer Zivilisation erkennen konnte, die sehr verschieden von dem ist, was schließlich geschah, und was ein »Denker der Technik« so beschreibt:

»Der Beruf des Landwirts ist einer der modernsten geworden, im weberschen Sinn des Wortes, dem einer Herrschaft des Kalküls über die menschliche Tätigkeit. (...) Von der Zubereitung der Futterrationen für das Vieh über die eigentliche Buchführung bis zur informatisierten Verwaltung der Parzellen geschieht nichts ohne Berechnung. (...) Die Natur kann auf eine Gesamtheit unauffälliger Elemente zurückgeführt werden, die nach bestimmten Regeln kombinierbar sind, auf die man einwirken kann, um die erwünschten Resultate zu erzielen. (...)Milch ist beispielsweise kein substantielles Lebensmittel mit unmittelbar wahrnehmbaren Qualitäten mehr, sondern ein Produkt, das in verschiedene, genau überwachte Parameter aufgespalten ist. (...) Die Aktivität gründet auf der Kenntnis einer geregelten Abfolge von Phänomenen, die sich auf quantifizierte Regeln beziehen. (...) Der Platz, den heute Berechnung, im allgemeinsten Sinne formalisierten Schlussfolgerns, einnimmt, erlaubt das Verständnis realer und potenzieller Entwicklungen der Informatik in der Landwirtschaft. (...) Die Benutzung von Software-Programmen für das Füttern und die Verwaltung des Viehbestands ist bereits gang und gäbe. (...) Die Verwaltung der Gewächshäuser wird immer öfter von Computern gestützt. Die Maschine kontrolliert dann dank unterschiedlicher Arten von Messfühlern das Klima des Gewächshauses, das heisst den Grad der Sonnenbestrahlung, der Feuchtigkeit, die dort herrschende Temperatur, ebenso wie die Düngung, den jeder Pflanze eigenen Fluß von Saft, sogar den Grad von Stress. In Wirklichkeit regelt der Computer all die Faktoren im Hinblick auf das erdlose Wachstum der Pflanze in einem durch und durch künstlichen Universum.« (Dominique Bourg, L’Homme-artifice).

Und all das wird wieder von einem Technikfanatiker ausgemalt, dessen Begeisterung die obligate Feststellung der »Umweltbelastungen« keineswegs dämpft, da man ja ganz im Gegenteil die Verkünstlichung weiter treiben muss, um mit ihnen fertig zu werden (»Die in großem Maßstab betriebene ökologische Landwirtschaft wird nicht weniger wissenschaftlich und technisch sein, aber sie wird es anders sein, in Wirklichkeit rationeller.«). Sicher wäre »die Erforschung einer größeren Geschmacks-, Ernährungs- und Gesundheitsqualität der Produkte ebenso wie die Sorge um die Umwelt« auf ideale Weise, wenn man das mal so sagen darf, sehr gut mit einer Agro-Industrie verträglich, die sich endgültig von den irdischen Realitäten freigemacht hat und beispielsweise Nahrungsmittel nach biologischen Normen mittels Gewebekulturen in gigantischen Fermentoren herstellen, die durch Windräder mit Energie versorgt werden. Aber solche dummen und finsteren Projektionen, die in Wirklichkeit so altbacken sind, dass bereits ein Science-Fiction-Roman in den fünfziger Jahren sie satirisch behandelt hat, zeigen einzig und allein, zu welcher Art von Träumen die Industriegesellschaft heruntergekommen ist, aus der Tiefe der Mülltonne, in die sie die Erde verwandelt hat.

Dass die industrialisierte Landwirtschaft, weit davon entfernt, die Humanisierung der Natur zu vollenden, vielmehr deren Ende ist, davon wird sich jedes Individuum, das imstande ist, die Dinge mit eigenen Augen zu sehen, mit einem einfachen Blick auf einen dieser Schuppen überzeugen, in denen ein Verwaltungscomputer Hunderten von Mutterschweinen ihre Futterrationen mit den Medikamenten zuteilt, die ihre Krankheit bis zum Schlachten verlängern, entsprechend »personalisierten« Daten, die von dem »Clip« stammen, den jedes Tier im Ohr trägt; während ringsum, damit das Sehvermögen nicht der einzige beanspruchte Sinn bleibt, auf Hunderten von Hektaren der Boden nur noch dazu dient, die reichlich vorhandene Jauche der Tiere aufzunehmen (zweihunderttausend Kubikmeter täglich allein in der Bretagne). Diese »HighTech«-Kapsel, die auf einem Ozean von Exkrementen schwimmt, resümiert alleine schon die drastische Verarmung, die die technische Rationalisierung mit sich bringt: Wenn man in den Landschaften der dreissiger Jahre noch, wie Gaston Roupnel in seiner Histoire de la campagne francaise oder Roger Dion in seinem Essai sur la formation du paysage rural francais, in den Spuren der verschiedener bäuerlicher Tätigkeiten die lange Geschichte der menschliche Aneignung und der Anreicherung der Natur, kurz eine alte, von Freundschaft geprägte Vergangenheit entdecken konnte, was kann man in der jeder menschlichen Präsenz baren, von den Berechnungen der ökonomischen Produktivität umgemodelten Landschaft lesen, in diesen der Monokultur und der Mechanisierung preisgegebenen Flächen, außer einer verwüsteten und feindlichen Zukunft, die tatsächlich schon da ist? Denn wenn man diesem Tableau einige entfernte und unterschwellige Auswirkungen der agro-chemischen Industrie hinzufügt und sie mit anderen Resultaten dieser Produktionsweise kombiniert (Anstieg der Durchschnittstemperatur bei gleichzeitiger Erhöhung der Extreme, verändertes Niederschlagssystem, Waldsterben, Absenkung des Grundwasserspiegels, tropische Epiphyten in gemäßigten Klimazonen, zerstörerische pflanzliche Aliens mit hoher Vermehrungsrate, durch Eutrophierung erstickte Flüsse und Küsten, Erschöpfung der Fischgründe, drastische Abnahme der Biodiversität, mit Schwermetallen verseuchte Ackerböden, etc.), erhält man etwas, was ziemlich genau Lebensbedingungen auf einem anderen Planeten entspricht; genau die, auf die uns vorzubereiten die Genetiker sich anheischig machen, indem sie nach Bedarf unsere genetische Zusammensetzung modifizieren:

»In einem Jahrhundert werden wir 15 oder 20 Gene kennen, was dem Menschen erlauben wird, seine Intelligenz zu verbessern, bemerkt Leroy Hood, Pionier des Projekts menschliches Genom, und wir werden sie unseren Kindern weitergeben können. Hood, Inhaber einer von Bill Gates, dem Chef von Microsoft, gegründeten Lehrstuhls, mit dem er gleichermaßen in einem Biotechnologie-Unternehmen zusammenarbeitet, hat keine Skrupel im Hinblick auf alles, was das menschliche Erbgut und die Vererbung verbessern kann. Welche anderen Eigenschaften könnte man entwickeln? Wenn man Menschen auf andere Planeten schickt, stellt sich Hood vor, könnt man sie umgestalten, um sie an die außerirdischen Lebensbedingungen anzupassen – kälteres oder heißeres Klima, mehr oder weniger Sauerstoff, etc.« (The Village Voice, zitiert nach Courrier International, 12.-18. November 1998).

Die Anpassung an extra-terrestrische Lebensbedingungen schreitet unterdessen sehr schnell voran, ohne dass dafür genetische Modifikationen nötig wären, und beispielsweise die Zucht »hors sol« (siehe den Artikel »Abatage«, EdN n°9, 1985), ohne von den Fabrikationsweisen der Nahrungsmittelindustrie zu sprechen, ruft nur sehr selten die spontane Abneigung hervor, die eine normale Reaktion wäre: Stattdessen scheinen totalitäre Konzentrationslagerbedingungen normal, die tatsächlich Norm geworden sind für Menschen, die auf Betonplatten geparkt, von Informatik verwaltet, ebenso funktionell ernährt und medizinisch betreut und bald mit einem elektronischen »Gesundheitspass« ausgestattet werden. Der Gedanke, dass der Mensch das, was er den Tieren zufügt, sich selbst zufügt (oder es sich bald zufügen wird), diese oft misstrauisch als reine Gefühlsduselei abgetane Idee ist tatsächlich zutiefst vernünftig, da sie nur das ausdrückt, was, mag es auch nur ein Gefühl sein, nicht weniger rational ist: was der Mensch aus der Natur macht und die Art und Weise, wie er das macht, das heisst die Art der Beziehung, die er zur Natur unterhält, ist der genaue Maßstab seiner Menschlichkeit. Eingesperrte und geschwächte Tiere am Band zu schlachten ist nicht das gleiche wie Tiere zu töten, die man freundschaftlich aufgezogen hat mit »der Zufriedenheit das Vieh jeglicher Art und jeglichen Alters bei allem , was es treibt den Schöpfer der Natur preisen zu sehen: bei der Arbeit, beim Weiden, Muhen, Wiehern, Brüllen, Grunzen und Herumtollen und sich dabei, je nach Art und Natur zu ertüchtigen« nicht ohne vorher daran gedacht zu haben »Eicheln beiseite zu legen, damit man sie an eine bestimmte Menge von Ferkeln verfüttere, die gerade aus dem Wald zurückgekommen sind und zehn oder zwölf Tage lang dem Stall fern zu bleiben haben, auf dass sie gut Fett ansetzen und durch solch zuträgliche Behandlung dicke Speckschwarten ansetzen« (Olivier de Serres, Théâtre dagriculture et mesnage des champs). In den Manuskripten von 1844 sagt Marx zur Definition des Kommunismus, dass er »ein vollendeter Naturalismus (ist), und als solcher ein Humanismus; als vollendeter Humanismus ist er ein Naturalismus.« Die Geschichte hat zerstreut, was in diesem Programm ein wenig rätselhaft war, indem sie das Gegenteil realisierte: Die Fortschritte des technischen Rationalismus haben im gleichen Schritt Entmenschlichung und Entnaturalisierung vordringen lassen.

[p. 58 – 63]

Heute, da sie nicht mehr verborgen werden können, werden die von der Agrochemie verursachten Verwüstungen regelmäßig beklagt und sogar angeprangert. Doch geschieht dies im allgemeinen fälschlich, weil durch Leute, die in keiner Weise die industrielle Lebensweise in Frage stellen, die Art von Komfort, an den sie gewöhnt sind, sondern sie mit einer Landwirtschaft vorzögen, wie die Werbung sie zeigt, oder so wie sie ist, ohne ihre schädlichen Auswirkungen jedoch: Kurzum, fast jeder (der informierte Fernsehzuschauer, der Verbraucher mit Kindern, der Ökologe) will den »Bio«-Kuchen und ihn zugleich zum Preis des industriellen essen. Diese Unlogik wirft ein grelles Licht auf das durch die Bank vorherrschende falsche Bewusstsein, das nicht das Band der Notwendigkeit zwischen der Existenz dieser Landwirtschaft und den weniger materiellen Befriedigungen sieht, die der Warenüberfluss spendet. Wer jedoch aus nächster Nähe die Beziehung zwischen diesem Produktionszweig und der Gesellschaft als ganzer untersucht, der wird sehr schnell diese Vorurteile drangeben und leicht einsehen, dass man selbst in der verkehrten Welt der Ware, in der der wirtschaftliche Reichtum mit der Entbehrung wächst, mit den Physiokraten sagen darf, »dass die Erde die einzige Quelle des Reichtums ist, und dass es die Landwirtschaft ist, die ihn vervielfacht«. Gewiss läßt die industrielle Landwirtschaft alles, was sie berührt verarmen: die Landschaft, unförmig und verseucht, diejenigen, die dort arbeiten, gestresste Proletarier, schließlich ihre Produktion, stets ohne Geschmack und Nährwert und bisweilen eindeutig giftig. Aber diese Verarmung ist nicht nur das wesentliche Ergebnis der industriellen Landwirtschaft, sondern gleichermaßen ihr Entwicklungsmotor, der sie immer weiter auf den Weg der Verkünstlichung treibt: Die ausgemergelte Erde ist ständiger Zufuhr chemischer Einsätze ausgesetzt, und die Steigerung der Produktivität erfordert immer kostspieligere Investitionen (Verwendung schwerer Maschinen mit kurzer Nutzungsdauer, Drainage, Bewässerung, ständige phytosanitäre Behandlungen), welche ihrerseits einen Wettlauf nach Gewinn hervorbringen, dem nur der Bankrott ein Ende bereiten kann. Diese Entwicklung zieht direkt jene eines beträchtlichen Teils der Industrie nach sich, der chemischen, der mechanischen und heute der informatischen. Aber ihr Beitrag zur Dynamik des Kapitalismus geht darüber hinaus und sie spielt auch eine Rolle als Motor in der Entwicklung der Warenproduktion im allgemeinen. Das schlagendste und oft zitierte Beipiel ist das der Gesundheitsindustrie: Ihr Umsatz, der sich zwischen 1970 und 1990 versechsfacht hat, fließt in die Berechnung des Bruttosozialprodukts ein, und die Nahrungs- und Genussmittelindustrie ist sicherlich der wirksamste Betreiber dieses Wachstums, sowohl durch die Sekundäreffekte, die sie bei den Konsumenten ihrer Produkte hervorruft, als auch durch den Konsum von Neuroleptika, den sie bei ihren Ausführenden generalisiert, die der Einsamkeit und der ständigen Angst vor den Zahlungsfristen ausgeliefert sind (ganz zu schweigen von den diversen Berufskrankheiten, angefangen mit allen möglichen Arten von Krebs). Die gesamte Veterinärbranche doped die pharmazeutische Industrie, indem sie 80 Prozent der hergestellten Antibiotika absorbiert. Indessen trägt die moderne Landwirtschaft ebenso entscheidend dazu bei, die florierende Entseuchungsindustrie zu entwickeln, den Handel mit mehr oder weniger gereinigtem Wasser, die toxikologischen Studien über die Langzeitwirkungen ihrer Zaubertränke, ebenso wie die Verwaltung, die Gesundheitsnormen aufstellt und ihre Einhaltung überwacht, mit den Experten, die sie beraten, den Strafbehörden, den betreffenden Gerichtsbarkeiten, den Rechtsanwälten usw. Sie schafft auch die Nachfrage nach so genannten »biologischen Produkten«, die teurer sind, weil man sie um einige Gifte erleichtert hat. Vor allem aber weil sie eine billige Massennahrung liefert, liegt sie dem ganzen gegenwärtigen Wirtschaftssystem zugrunde, da sie dadurch das Aufstapeln der Armen in endlosen Agglomeraten ermöglicht und somit außer dem modernen Urbanismus und allem, was mit ihm zusammenhängt (Sozialdienste, Polizei, psychische Beratungsstellen, etc.) den »Dienstleistungs«-Sektors gedeihen lässt, dem die Existenz dieser Vorräte an unbenutzter Arbeitskraft erlaubt, nach Belieben die Lohnkosten zu senken; und man weiß, dass auf diesem Gedeihen »Wachstum« und »Schaffung neuer Arbeitsplätze« beruhen. Um ein für alle mal dem Gedanken den Garaus zu machen, dass die Industriegesellschaft eine andere Landwirtschaft als diese haben könnte, braucht man lediglich zu bedenken, dass es der geringe Preis ihrer Produkte ist, der – indem er den auf die Ernährung verwendeten Ausgaben reduziert, so wie ihre »gebrauchsfertige« Herstellung die Zubereitungszeit der Mahlzeiten verkürzt hat – es ermöglicht hat, dass ein stetig wachsendes Maß an Zeit für den Konsum wahrhaft moderner Waren zur Verfügung steht – eben jener »Dienstleistungen« u.a.-, also derjenigen, bei denen die Nachfrage leicht gesteuert und grenzenlos ausgedehnt werden kann und die gerade dazu dienen, die Frustrationen zu kompensieren, die durch urbane Isolation und entfremdete Arbeit verstärkt werden. So hängen selbst die Cyberkultur und der Sektor der am wenigsten irdischen Waren, die abstraktesten kulturellen Produkte, in Wirklichkeit ganz direkt von der Entwicklung der industriellen Landwirtschaft ab.

Wie alle Modernisierungen, die dieses Jahrhundert okkupiert haben, war auch diese von Anfang an geplant, dann in jedem Stadium vom Staat und seinen verschiedenen Agenturen (Gewerkschaften, Crédit agricole, Safer, etc.) eingerahmt, unterstützt und verwaltet. Ohne in die ermüdenden Details von Quoten, Prämien, Subventionen und anderen Hilfen einzudringen, die seit langem die gewöhnliche Buchhaltungs-Akrobatik eines modernen Landwirts ausmachen, sieht man beispielsweise, dass jene Industrie nach dem Modell der nuklearen sich nur entwickeln konnte, weil ihre »externen« Kosten (insbesondere die Wiederaufbereitung des Wassers) dem Gemeinwesen (collectivité) aufgebürdet wurden. Da diese Kosten mit den Umweltverschmutzungen aller Art schwindelerregend ansteigen, macht sich der französische Staat nun Gedanken, eine Art ökologisch gefärbten Kompromiss anzuordnen: zwischen der ökonomischen Abstraktion des landwirtschaftlichen Reichtums und der sehr konkreten Realität der Zerstörungen, die aus jener folgt; er arbeitet also eine neue »HiTech«-Leibeigenen-Satzung (den contrat territorial dexploitation) aus, der »Maßnahmen ökonomischer Art und Umwelt – sowie territoriale Maßnahmen kombinieren wird«. Das selektive Ausbessern der Flur durch vereidigte/bestallte »Landschaftswächter« wäre so für den touristischen Konsum das, was die warenförmige Anerkennung einer »biologischen Kette« für den Nahrungsmittelkonsum ist: der hierarchische Zugang zu einer »Qualität«, bei der alle Arten kultureller Konservierungen schon gezeigt haben, wie sie durch die Art ihrer Rettung selbst schon verfälscht war. Für das, was den einigermaßen redundanten Namen biologische Landwirtschaft trägt, seit es eine Ausnahme und Spezialität geworden ist, eher die Lebenskraft als die Krankheit zu nähren, nimmt die Verfälschung die Form einer Normierung (in diesem Falle europäischen) an, die geeignet ist, daraus eine einfache Technik zu machen, die durch Abwesenheit definiert wird, und darauf beruht, mehr oder weniger vollständig auf einige rasche Gifte, Herbizide oder Pestizide, zu verzichten und folglich diesen Zeitverlust und diesen Zuwachs an Handarbeit bezahlen zu lassen, zu Preisen, die in Wirklichkeit bei mehr oder weniger gleicher Qualität das Budget der Haushalte um vierzig Jahre zurückschrauben. Der gegenwärtige Prozess, die ökologische Landwirtschaft konform zu machen, die damit die industrielle Zukunft organisiert, um den positiven, heute subversiven Inhalt abzuschaffen (weil mehr oder weniger bewusster Erbe einer »Philosophie der Natur«, die der mechanistischen Wissenschaft der Herrschaft radikal entgegengesetzt ist), verläuft über die Erleichterung der Lieferbedingungen für die etikettierten Produzenten, die Beschlagnahme der großen Distribution und ihrer Anforderungen an Standardisierung auf diesem Segment, das sich in voller Expansion des Warenkonsums befindet, und die Einführung bürokratisch definierter Gesundheitsnormen, die durch die dazu erforderlichen Kosten und Kontrollen dazu dienen, all jene zu eliminieren, für die die Herstellung beinahe gesunder Lebensmittel etwas anderes wäre als eine »ökonomische Gelegenheit«.

[p. 70 – 71]

Im Lauf des Verkünstlichungsprozesses, dessen Etappen wir weiter oben am Beispiel des Mais verfolgt haben, ist die chemische Industrie, die die stets unerläßlicheren phytosanitären Produkte herstellte, logischerweise zum Hauptprotagonisten der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft geworden. Seit den siebziger Jahren hat sie damit begonnen, die Kontrolle über die Saatgutfirmen zu übernehmen, die den Weg für die Ausweitung der Eigentumsrechte auf lebendige Organismen bahnten. Da sie den Pharma-Sektor, dessen blosses Anhängsel die Medizin nunmehr ist, bereits ihr eigen nannte, brauchte sie lediglich ihre bio-technologische Mutation zu vollbringen, um in ein und demselben Industriezweig so ziemlich alle Aspekte der Reproduktion und der Aufrechterhaltung des Lebens vereinen zu können (nicht zu vergessen den » Bio-Sektor » selber, wie Novartis mit verschiedenen, im Fachhandel vertriebenen Produkten). Diese Schaffung einer weltweiten Industrie des monopolisierten Überlebens zielt auf nichts Geringeres ab, als die Menschheit endgültig von ihren »rückwärtigen Basen« abzuschneiden, ihr den Zugang zu den im Laufe der Geschichte geschaffenen Reichtümern zu sperren, um ihr technischen Ersatz verkaufen zu können (deshalb erleidet sie durch ihre Irrungen und Wirrungen, ihre Kurzsichtigkeit und ihre Fehlkalkulationen letztendlich keinen Schaden, da die angerichteten Verwüstungen die alte Welt der humanisierten Natur und deren Autonomie verschwinden lassen.). Marx, der nicht gerade im Verdacht steht, das Landleben idealisiert zu haben, definierte dennoch das Land als »Reservefonds für die Erneuerung der Lebenskraft der Nationen«. Tatsächlich ist das Land, die Dorfzivilisation, die seit der Jungsteinzeit als Mutterboden oder Sockel für die aufeinanderfolgenden gesellschaftlichen Formen fast unverändert fortbestanden hatte, bis zur Industrialisierung der Landwirtschaft eine Ressource geblieben, sowohl für die Phantasie als auch für das praktische Leben des Individuums und des Kollektivs: eine Kontinuität, an die man anknüpfen konnte, ein Substrat, von dem aus man noch einmal von vorne beginnen konnte, so wie in den libertären Kollektiven Spaniens von 1936–1937.

[p. 74 – 75]

Während man in den Industrieländern die Biotechnologien vor allem ihrer ökologischen Tugenden wegen preist, wird ihre Einführung in die Länder der 3.Welt als Verheissung einer neuen grünen Revolution dargestellt (oder gar einer »doppelt grünen« Revolution). Dem wäre nicht viel hinzuzufügen. Wenn es in diesen Ländern noch mehr zu zerstören gibt als anderswo, sei es an Land, an Sitten oder an ursprünglichen Reserven der Artenvielfalt, dann trotz der sogenannten grünen Revolution, die, indem sie die Eigenbedarf-Kulturen beseitigte und die Bedingungen der Agro-Industrie durchsetzte (Hybrid-Saatgut, chemische Düngemittel, Pestizide und Mechanisierung) die Auswirkungen der Bevölkerungsexplosion, auf die zu antworten sie vorgab, nur verschlimmerte: Unterernährung, Verarmung des Bodens, chemische Verschmutzung, Landflucht und Desintegration der traditionellen Gesellschaften. Um diese Zerstörungen zu vervollständigen (in Afrika ist die Anbaufläche pro Kopf in 30 Jahren um die Hälfte gesunken), scheint die neue technische Antwort heute also in einer warenförmigen Konfiszierung jeglicher Autonomie zu bestehen, die bei der Aneignung der Natur zu Ernährungs- und Therapiezwecken noch übrigblieben war. Und da sich ein solches Unterfangen noch widerspenstigen Mentalitäten gegenübersieht (so sind beispielsweise in Indien Arzneimittel-Patente aus religiösen Gründen verboten), setzen die Unternehmen mittels internationaler Verhandlungen (über die Regeln zum Patentwesen) die Öffnung der Grenzen für transgenes Saatgut durch. Um aber sicherzustellen, dass diese, in warenförmigem Bürgersinn nur schlecht trainierten bäuerlichen Bevölkerungen, sich an das Lastenheft der Saatgutfirmen halten (Verpflichtung zu spezifischen chemischen Behandlungen und Verbot unter Strafandrohung der Wiederbenutzung eines Teils Ernte für die nächste Aussaat), erschien es noch sicherer, eine technische Parade gegen noch so schwachen Versuch autonomer Reproduktion des Lebens zu entwickeln: »Es geht darum, in das Saatgut ein Gen mit dem Namen Late embryogenesis abondant (LEA) einzupflanzen. Dieses Gen sterilisiert die Saatkörner, aber erst nachdem die Pflanze voll ausgewachsen ist. Diesem Prinzip zufolge sind die Saatkörner der zweiten Generation keimunfähig und der Landwirt muss alljährlich seinen Saatgutbestand erneuern.« (Le Courrier de Genève, 19. August 1998.) Das Programm der Biotechnologien ist offen zu einem Programm der kontrollierten Sterilisation der lebendigen Welt geworden.

[p. 82 – 87]

Indem sie den Zugang zu den genetischen Grundlagen des organischen Seins erlangt (so wie zuvor zu den atomischen des inorganischen), indem sie das Anonymste in uns offenlegt und das Unorganischste, Abstrakteste, uns selber Fremdeste, nämlich unseren genetischen Kode identifiziert, der in ihren Augen unsere Wahrheit und unsere wirkliche Identität darstellt, identifiziert sich die instrumentelle Vernunft vollends mit der Herrschaft, die sie hervorgebracht hat, bis man sie nicht mehr auseinanderhalten oder getrennt denken kann; jede Bejahung dieses Positivismus, und vor allem da, wo er die größte Fürsorge für uns zu zeigen scheint, ist in erster Linie eine Bejahung der Herrschaft und unserer eigenen Entfremdung. Dies geschieht jedesmal dergestalt, dass sie uns davon entheben, genau zu wissen, was getan wird, es voll und ganz zu begreifen und uns den Komfort verschaffen, uns nicht vollständig unserer Handlungen bewusst sein zu müssen und nicht deren gegensätzlichen Bestimmungen zu erfahren: gewissermaßen nicht persönlich anwesend sein zu müssen. Es handelt sich immer um eine Infantilisierung, sei es durch Sofortreisen im Flugzeug oder Bezahlung mit Kreditkarte, den Bildempfänger zu Hause oder die computergerstützte Lektüre; durch hormonale Empfängnisverhütung oder »bequeme« PDA-Entbindung. Die wissenschaftliche Medizin hat uns unserer Krankheiten, dieser Form der Selbsterkenntnis, beraubt, indem sie sie uns entfremdete; mit der Sequenzierung des Genoms ist es unser Leben selbst, das uns fremd wird, aber ohne dass es uns bewusst würde. So sieht das Glück aus. »Die Herrschaft tritt dem Einzelnen als das Allgemeine gegenüber, als die Vernunft in der Wirklichkeit« und erlöst es so von seiner Ratlosigkeit angesichts der »lästigen Reichtümer des Lebens«, indem sie letzteres zu einer äußerst kompletten Gebrauchsanweisung vereinfacht, die es vor dem Zufall und dem Unbekannten schützen soll: die genetischen Tests für die Prädisposition zu bestimmten Krankheiten und Verhaltensweisen verwandeln die Existenz in eine Fatalität, deren Geschicke keine Beziehung zu den sozialen Umständen haben; diese sind nicht mehr als Bestimmung begreifbar und werden zu unberührbaren praktischen Tatsachen naturalisiert, zu Existenzbedingungen der Kollektivität, außerhalb derer nichts existiert: das Individuum ist allein mit seinem genomischen Schicksal, von dem die gesellschaftliche Existenz nichts als ein Widerschein ist, oder eine Bestrafung: man gehorcht, weil man ohne Herrschaftsgene ist.

Natürlich gibt es Individuen, die noch eine Vorstellung vom Vernünftigen und Unvernünftigen haben und in deren Augen Behauptungen wie diese eines Chemie-Nobelpreisträgers schlechthin absurd sind: »Gebt mir die Gene eines Individuums und ich werde Euch sagen, wer er ist«. Aber diese Individuen waren bereits den vorhergehenden Fortschritten des modernen Komfort abhold gewesen und sind offensichtlich wenig an eine Gesellschaft angepasst, die in der Anzahl der existierenden Fernsehkanäle einen objektiven Maßstab des den Individuen gebotenen Freiheitsgrades sieht und die aus dem quantitativen Maß der Langlebigkeit das unbestreitbare Kriterium glücklichen Lebens gemacht hat. Sie sind überdies dabei, von einer bereits objektiv wirkenden genetischen Auslese eliminiert zu werden, die das Überleben derjenigen Individuen begünstigt, die zum Beispiel in der Lage sind, sich an die stickige Luft der Klimaanlage und an die körperlose Arbeit am Bildschirm anzupassen; bei den anderen wird man das Gen der Vergangenheitsseligkeit entdecken, das der Melancholie oder vielleicht das des Mystizismus, welche dann die Erklärung einer so unglücklichen und unangemessenen Subjektivität sein werden, für die man ihnen eine chemische Korrektur anbieten wird.

Die zwischen der industriellen Landwirtschaft und ihrer biotechnologischen Vervollkommnung bestehende Kontinuität ist auch die, welche ganz natürlich von der mechanistischen Medizin zum auf den Menschen angewandten genetischen Engineering führt. Es ist deshalb idiotisch, wie es viele Gegner der Verbreitung von genetisch modifizierten Organismen tun, eventuelle therapeutische Anwendungen der Biotechnologien hervorheben zu wollen, die zu verurteilen man sich hütet, um nicht die öffentliche Meinung vor den Kopf zu stoßen oder weil man selbst davon überzeugt ist, daß sie einen wünschenswerten Fortschritt darstellen. Die Entfremdung der isolierten Individuen in der Massengesellschaft, die jene dazu gebracht hat, die äußere Natur des Menschen der industriellen Ausbeutung zu überlassen – im Austausch gegen eine standardisierte Nahrung, von der man nicht zu wissen braucht, unter welchen Bedingungen genau sie für einen fabriziert wird – ist dieselbe, die sie dazu bringt, ihre eigene organische Natur, ihren Körper, der Gesundheitsindustrie auszuliefern. Die Bevölkerung damit zu beunruhigen, was sich auf den von ihrem künstlichen Leben so fernen Feldern abspielt, ohne sich dafür zu interessieren, was sie unmittelbar in Sicherheit wiegt (der Inhalt ihres Medizinschranks, die Herzchirurgie, die Verheissungen der Gentherapien) ist zugleich unlogisch und vergeblich.

Eine falsche Unterscheidung zwischen den Biotechnologien zu treffen (wie einst zwischen »ziviler« und »militärischer« Anwendung der Atomenergie) bedeutet außerdem, nicht sehen zu wollen, dass es ein und dieselbe Desintegrierungsmacht ist, derselbe Nihilismus, der alle Formen des Lebens angreift, ob es sich um Pflanzen, Tiere oder Menschen handelt, und sie wie ein und dasselbe undifferenzierte genetische Material behandelt. Die Biotechnologien beseitigen alle Unterscheidungen und die erstaunliche Vielfalt der Erscheinungen, die die Natur auf ihre organischen Reiche, und in deren Inneren auf die Arten, verteilt hat. Sie sehen dort nichts als ein Gewimmel wechselnder Figuren, die von innen her von Kodiergenen betrieben werden, der gemeinsamen Wirklichkeit aller lebenden Erscheinungen: biochemische Mikroprozessoren, die beliebig und unendlich rekombinierbar sind, um andere, neue, nützlichere, bequemere, spezifischere usw. Erscheinungen zu verfertigen, reine Hypostasen der digitalen Modelle, denen entsprechend man sie fabriziert. Die Tautologie der technischen Rationalität dehnt sich so auf das ganze Leben aus: die Maschinen, welche die »Sequenzierung« des Genoms ermöglichen, und ohne die dieses »Programm« nicht existieren würde, sind dieselben, die das theoretische Modell der »genetischen Information« liefern; es ist ihre Rechenpotenz, die sich in den Milliarden von Nukleotiden des menschlichen Genoms beschaut und die sich selbst lobt, dass sie zur »Quelle des Lebens« vorgedrungen ist. Der genetische Kode ist fürwahr eine Schöpfung des Computerzeitalters, und die außerordentliche Dürftigkeit dieser DNS-Ideologie, die in voller Rüstung dem künstlichen Gehirn der Informatiker entsprungen zu sein scheint, ist ein getreuer Ausdruck ihres logischen Formalismus. Aber diese Misere ist weder außergewöhnlich noch besonders schockierend in einer Gesellschaft, die sich anschickt, vom Kindergarten an das Gehirn der Kinder auf den Computer zu eichen, der gleichzeitig ihr Arbeitsinstrument, ihr Kontaktmittel mit der Außenwelt und ihre wirkliche Wohnung sein wird (dieser Prozess der Vermittlung aller Aktivitäten des Menschen durch den Computer ist schon so weit fortgeschritten, dass man beobachten kann, wie sie – einer Seuche gleich – eine gewisse Form der Phobie vor dem Kontakt mit der Realität ausbreitet, die immer mehr Leute dazu bringt, sich mit einem Mobiltelephon auszurüsten, wenn sie nach draußen gehen); eine Gesellschaft, in der das Projekt eines Computers, der dank einem Implantat im Gehirn des Benutzers dem Denken gehorcht, keinerlei Erstaunen hervorruft, ist eine Gesellschaft, die vorweg auf die Frage antwortet, wieviel Selbständigkeit dem menschlichen Denken, dem Bewusstsein, gelassen werden soll: eben dessen Verschwinden erlaubt es, eine derartige Verbesserung des Mensch-Maschine-Verhältnisses ins Auge zu fassen und objektiv das zu realisieren, was es bereits subjektiv ist; und das ist es, was diesen Fortschritt herzlich nutzlos macht.

Die rationalistische Kritik des genetischen Reduktionismus bleibt also recht schwach: sie brandmarkt eine grobe ideologische Lüge über die menschliche Natur, ohne aber zu erkennen, dass diese Lüge vor unseren Augen dabei ist, sich der Wirklichkeit zu bemächtigen, alles, was sie Lügen strafte zu beseitigen und auf diese Weise wahr zu werden. In Anbetracht des Zustandes, in den diese Wissenschaft die Welt gebracht hat, wäre der szientistische Aberglaube in der Massengesellschaft nicht zu verstehen, gäbe es nicht, abgesehen von einer gewissen Feigheit, sich von Hoffnung zu Hoffnung zu hangeln, was jeglicher Grundlage entbehrt, das scheinbar allgemeine Streben danach, das Privileg zu teilen, das den Wissenschaftlern zugestanden wird: nicht denken zu müssen; damit, von dieser Bürde befreit, um so angepasster zu sein an die Anforderungen der Maschinengesellschaft. Wer sich selbst mittels cybernetischer Vorstellungen auffasst (als Programm, als Information integrierendes System usw.), der steht natürlich den Aktivitäten des genetischen Engineerings hilflos gegenüber: auf welche »menschliche Natur« kann er sich noch berufen? Wenn man einen jungen Verbraucher von zwölf Jahren von seiner »PlayStation« eingenommen sieht, wenn man sich das Schicksal vorstellt, das ihm in der elektronischen Zivilisation zugedacht ist, ohne darin irgendein Übel zu finden, sieht man überhaupt nicht, welchen triftigen Einwand man noch den Klonierungen, den genetischen Verbesserungen, der Embryo-Selektion, usw. entgegenhalten könnte: das Ergebnis haben wir bereits vor Augen, mit seinen Markenkleidern und seinem »Piercing«, seiner »Funsport-Kultur« und seinem »Pager«. Es ist ein bisschen spät, um sich zu beunruhigen, was von uns übrig bleiben wird nach der genetischen Rekonstruktion, und außerdem denkt niemand ernsthaft daran, denn man müßte zuerst in Betracht ziehen, auf dieses parasitäre Leben zu verzichten, um zu versuchen, die menschliche Natur wieder in ihre Rechte treten zu lassen, von der man uns gerade bewiesen hat, dass sie nicht existiert. »Es zu akzeptieren, die schlechten Gene unserer fehlerhaften Gewebe zu ersetzen und dazu die Eizellen unserer Vetter, der Tiere, zu benutzen, bedeutet, mit den Biologen anzuerkennen, dass der Mensch ein Tier ist und dass er zu Recht stolz darauf ist, ein Tier zu sein, denn ein Tier zu sein bedeutet lebendig zu sein.« (Jean-Paul Renard, Forschungsleiter am INRA, Le Monde, 22. Januar 1999).

[p. 90 – 91]

Nicht nur die Fortschritte der wissenschaftlichen Medizin haben bewirkt, dass die Menschen nicht mehr sterben wollen, sondern vor allem die Tatsache, dass sie die Gewissheit haben, sofort danach vergessen zu werden, nichts mehr hinter sich zu lassen, weil sie nichts weitergegeben, um sich herum keinen verständigen Nachkömmling ausgemacht haben, ihr ganzes Leben weiter nichts gewesen sind als völlig austauschbare Ersatzteile im Innern der gesellschaftlichen Maschine, die keine Erinnerung ihres Gastspiels auf Erden aufbewahren wird. Bedeutet leben heute nichts, dann bedeutet sterben nie etwas gewesen zu sein: diese traurige Evidenz, in die sich zu schicken schwer ist, stellt eine der wesentlichen Bestimmungen der modernen Subjektivität und ihrer depressiven Tendenz dar; eine Evidenz, die ihr auf das Versprechen von ein paar Jahren mehr »in Hochform« das Plazet geben lässt zu einem Leben, das durch und durch in totaler Abhängigkeit von der organisierten Gesellschaft abläuft, in der wir eingesperrt sind. Einst »vermachte man seinen Körper der Wissenschaft«; heute gehört man ihr, quicklebendig, wie ein Leichnam, noch bevor sie uns in ihren Krankenhäusern ausschlachtet.

Die Verheissungen der »Gentherapien« werden sich ebensowenig verwirklichen wie die der amerikanischen Regierung, als sie 1971 »dem Krebs den Krieg erklärte«. (Der Sieg sollte in zehn oder 20 Jahren errungen werden und als man schließlich die Bilanz dieser Niederlage zog, wurde gemutmaßt, es sei womöglich angebracht, die Forschungen auf die »Risiken durch chemische Erzeugnisse« zu konzentrieren; doch dafür war es schon zu spät und eigentlich kam es auch gar nicht infrage: deshalb zog man es vor, die neue Hoffnung mit den »Gentherapien« zu erwecken.) Was man dagegen halten wird, ohne es versprochen zu haben, ist die Beseitigungn von Erbschäden durch die Selektion in vitro oder in utero der Embryonen mittels Vorhersagetests und dann zwangsläufig durch Keimbahntherapie an Embryo-Zellkulturen. Die Nachfrage nach solchen Techniken ist zweifelsohne durch emotionale Propaganda wie die des Telethon geschürt worden, doch war diese nur so wirksam, weil alle hofften selbst davon profitieren zu können: schon heute besitzen die Eltern nichts mehr, was sie an ihre futuristischen Kinder weitergeben könnten, weder Wissen, Erfahrung, Erinnerungen noch Moral-Bewußtsein oder materielle Güter; nur ihre Gene können sie ihr eigen nennen und das ist es, was sie unbedingt weitergeben wollen, wenigstens diese Spur wollen sie von sich hinterlassen (diese gesellschaftliche Nachfrage wird, falls notwendig, das reproduktive Klonen durchsetzen). Dank der Früherkennung von angeborenen Anomalien beim Embryo und dem Einpflanzen von im Labor korrigierten Embryos werden die Kinder wirklich zu denen des medizinischen Engineerings und dass sie ihm anvertraut wurden, wird alles sein, was sie ihren Eltern zu verdanken haben werden. Das man da ab noch früher in den Fabrikationsprozess eingreifen, um ersteinmal sicher zu gehen, dass man sich mit einer guten Genotype paart, ist nur logisch. Erfährt man dann diesbezüglich, dass ein Nazi-Physiologe als erster auf den Gedanken kam, man könne eine Eizelle entkernen und durch den Kern einer anderen Eizelle ersetzen, was die Erfindung des Konzepts der Ersatzmutter war, dann wird man sich auch daran erinnern, dass es neben der negativen Eugenik zur Beseitigung der schlechten Gene der Menschheit mittels Zyklon-B und Vernichtung durch Arbeit auch äußerst positive Eugenik-Versuche in den Zuchtställen der SS gab mit dem Ziel, die Zahl der Blonden und Blauäugigen auf Erden zu vervielfachen – und das bevor ein amerikanischer Nobelpreis auf den Gedanken kam, Banken für Sperma von Nobelpreisträgern einzurichten.

[p. 93 – 99]

Jetzt, wo die vorletzten Ergebnisse der genetistischen Verdinglichung vorliegen, kann jeder die Solidität der »ethischen Barrieren« beurteilen, die am Vorabend oder am Vorvorabend gegen die Gefahr einer »eugenetischen Verirrung« oder »erniedrigende Verletzungen der menschlichen Würde« errichtet worden sind. Aber statt sich bei den bioethischen Verrenkungen eines Axel Kahn aufzuhalten (Kantianer »in vitro« beim Inserm), bei Rhône-Poulenc (alias Aventis) oder bei der Unredlichkeit eines Testard, der, nachdem er 1986 überall laut verkündet hatte, er werde seine Aktivitäten als »Forscher der künstlichen Fortpflanzung« einstellen, an der Fortentwicklung der ICSI-Befruchtung mitwirkte, scheint es zugleich lehrreicher und weniger zeitraubend, sich einen Leitartikel von Le Monde vorzunehmen, der jüngst anläßlich eines Gesetzesentwurfs erschien, der in Belgien die Herstellung menschlichen Embryonen zu Forschungs- und Versuchszwecken erlauben, das heisst offiziell erlauben, soll. Diese Zeitung, in der die Ohnmacht des Staatsbürgers sich täglich spiegeln kann (»Es bleibt nichts anderes übrig, denn als Zuschauer den nächsten Akt abzuwarten«, konnte man acht Tage später an gleicher Stelle lesen, diesmal aber mit Bezug auf die sogenannte Finanzkrise), legte in der Tat bei dieser Gelegenheit unter dem Vorwand einer ethischen Fragestellung eine Auflösung der Urteilskraft an den Tag, die voll und ganz die Verachtung rechtfertigt, mit der die Genetiker all die Einwände behandeln, die so zaghaft im Namen der »großen Prinzipien« und der vermeintlichen »menschlichen Würde« formuliert werden. (Welche Würde? Sie brauchen diese Hypothese nicht.) So sorgte sich dieser Leitartikel um den »rechtlichen Status« des Embryos:

»Was auch immer man von diesem Big Bang in Reagenzgläsern denken mag – der Mensch ist heute imstande das herzustellen, was zu produzieren die Natur erst nach vielen Jahrtausenden in der Lage war – man kann nicht umhin festzustellen, dass die spektakulären Fortschritte der Molekularbiologie und -genetik eine entscheidende ethische Frage unumgänglich machen: soll man es den Wissenschaftlern erlauben, Forschungen am menschlichen Embryo durchzuführen? Kann man, anders gesagt, diesen Embryo als eine reine Zellmasse auffassen, einen Untersuchungsgegenstand unter vielen? [...] Die Herstellung menschlicher Embryos, deren einziger Zweck wissenschaftliche Forschung und Patentierung ist, kann als die letzte Stufe der Verdinglichung des menschlichen Embryos angesehen werden. Man kann auch den Befürworter dieses Projekts Gehör schenken. Diese machen geltend, dass sich bis jetzt niemand wirklich darüber aufgeregt hat, dass über den Erdball verteilt mehrere zehntausend, der medizinisch gestützten Reproduktion entstammende, sogenannte überzählige Embryos tiefgefroren aufbewahrt werden. Wenn solche Embryos, statt vernichtet zu werden, zu Forschungszwecken benutzt werden, so sagen im Grunde die belgischen Gesetzgeber, warum sollte man dann die Logik nicht weitertreiben und die maßgerechte Embryoherstellung gestatten? Und wie wäre es dann möglich, es den Biologen zu verbieten, die menschlichen Eizellen und Spermien zu benutzen, um ihre eigenen Forschungsobjekte zu schaffen?« (»Das Embryo und das Gesetz«, Le Monde, 7. Januar 1999).

Wenn die Wissenschaft der Entmenschlichung ihre Vervollkommnung soweit treibt, dass sie in völliger Unabhängigkeit ihr Experimentiermaterial herstellt, wägt der Moralist und Gesetzgeber das Pro und Contra ab; und das Pro muss aller Logik nach obliegen, denn um dem Zwang der Logik zu widerstehen, müßte man auf jene anderen Geisteskräfte zurückgreifen, die man soweit hat herunterkommen lassen, dass sie bloß noch eine vage ethische Problematik darstellen. Und dabei wäre es doch sehr einfach, diese endlose Problematik zu lösen, indem man die Frage so umformuliert, dass sie verständlicher und der Vorstellungskraft zugänglicher wird: »Soll man es den Wissenschaftlern erlauben, Forschungen am Juden durchzuführen? Kann man, anders gesagt, diesen Juden als eine reine Zellmasse auffassen, einen Untersuchungsgegenstand wie viele andere?« Die Deportierten waren de facto nichts anderes mehr: statt vergast oder durch Arbeit getötet zu werden, konnten auch diese Überzähligen bisweilen dem Fortschritt der medizinischen Forschung dienen, sowohl, gleich, ob diese nun im Namen uneigennützigster Erkenntnis als Grundlagenforschung betrieben wurde (zum Beispiel die in Auschwitz vom Genetiker Mengele durchgeführte, der dort über zahlreiche echte Zwillingspaare und in beliebiger Menge durch Abtreibung erzeugte Embryos verfügte), oder aber auch zu kommerziellen Zwecken, besonders im Auftrag des I.G. Farben-Konzerns. Und was auch immer man denken mag von der Erfahrung der totalen Herrschaft, die sich in den Konzentrationslagern abgespielt hat und die als die letzte Stufe der Verdinglichung des Menschen erscheinen konnte, so kann man nicht umhin festzustellen, dass niemand sich wirklich entsetzt hatte, als ein französischer Medizinnobelpreisträger etwas früher eine mit Gaskammern ausgerüstete eugenistische Politik empfohlen hatte, um die Menschheit von der Last ihrer Entarteten, Monstren, Schwachsinnigen und Kriminellen zu befreien: warum sollte man die Logik nicht ein wenig weiter treiben und die Wissenschaft von diesem reichlichen Material profitieren lassen, das ihren Untersuchungen passenderweise zur Verfügung steht?

Was wunder also, wenn eine Gesellschaft, die mit so vielen Ethikkommissionen ihre Verwirrung auf diesem Feld ausdrückt, es schwer hat, eine Grenze zu ziehen, jenseits von der eindeutig eine »erniedrigende Verletzung des menschlichen Lebens« stattfindet: sich Fragen über die »menschliche Würde« eines tiefgefrorenen Embryos zu stellen ähnelt tatsächlich einem metaphysischen Rätsel (oder einem vertrackten »ontologischen Problem«, wie der Leitartikelschreiber von Le Monde sagt), wenn, um eine solche Sache zu produzieren, es zuerst nötig war, dass die Würde ein völlig abstrakter Begriff wird (und die Menschlichkeit genauso). Die Unwürdigkeit des tiefgefrorenen und in Erwartung eines »neuen Elternprojekts« gelagerten Embryos ist das Ergebnis – und darin wirklich das Kind – der Unwürdigkeit seiner »Eltern« (man übergeht zum Beispiel schamhaft das triviale, aber bezeichnende Detail, dass die Befruchtung »in vitro« notwendigerweise mit der Masturbation des »Erzeugers« im Labor beginnt). Wenn die Fortpflanzung immer technisierter wird, um die menschliche Ware mit den besten Garantien zu erzeugen, greift sie logischerweise auf alles zurück, was »Null-Fehler« sicherstellt: natürlich auf die Echographie, dank der die Eltern gewissermaßen Schaufensterbummel betreiben, auf Amniozentese, pränatale Gen-Tests, usw.; von da kommt man dann ebenso rational, im Falle der Befruchtungen »in vitro« (die dazu bestimmt sind, notwendigerweise immer zahlreicher zu werden), zur Diagnose vor der Einpflanzung, welche die Embryoauslese ermöglicht. Schließlich, logisch wie die keinesfalls zufällige Begegnung der »überzähligen« eingefrorenen Embryos und der Forschungen, deren Rohstoff sie darstellen, bereitet der Übergang zur Kultur der »embryonalen Stammzellen« nun die »Keimbahntherapien« vor, die nur dem Namen nach Therapien sind, denn es handelt sich in Wirklichkeit um übertragbare Veränderungen, also um positive Eugenetik; und es sind die Anhänger eines solchen Eingriffs »ab ovo«, die nunmehr die völlige Unwirksamkeit der vorgeblichen Gentherapien verkündigen. So dass am Ende, wenn niemand mehr wirklich weiß, was man der heute »objektiv« so notwendigen Embryoklonierung entgegensetzen könnte, man gezwungen ist festzustellen, dass all diese Fortschritte der rationalen Eugenetik mit einer unerbittlich strengen Logik aufeinander gefolgt sind, der zu widerstehen übrigens weder den Technikern der medikalisierten Fortpflanzung noch ihren »Benutzer« je eingefallen ist, die im Gegenteil alle danach streben, sie »weiterzutreiben«.

Auch noch markantere Weise als bei der alten Eugenetik (der Nazis, aber auch der amerikanischen oder schwedischen), stellen sich die Biologietechniker gewissermaßen als gesellschaftlich prädestiniert dazu heraus, um ohne Skrupel oder Zynismus, sondern mit bestem Gewissen, die Ideologie der »guten« und der »schlechten« Gene zu entwickeln. Gewiss werden sie dafür bezahlt zu wissen, dass die kapitalistische Gesellschaft das als »gut« definiert, was ihre Fortdauer erleichtert, aber sie befolgen mit einem solchen Vertrauen die Regeln der funktionellen Wirksamkeit (und in ihrer Tätigkeitssphäre, mit ihren Computern, klappts ), ihre Interessen haben sich so natürlich, wie Sedimentschichten, in ihrem »Denken« abgelagert, das zu einer bloßen Funktion des Produktionsprozesses geworden ist, dass sie ganz spontan und sogar mit den denkbar besten Absichten in anormalen Verhaltensweisen und »sozial unangepaßten Benehmen« bloß biologische Störungen sehen, die man mit chemischen und heute genetischen Eingriffen korrigieren kann und soll. Wenn Watson sich fragt: »Wenn man die Mittel hat, die Menschen zu verbessern, warum tut man es nicht?« (Science et vie, Januar 1999), drückt er sozusagen naiv die Auffassung aus, dass es die Menschen sind, die »schlecht«, unangepasst und nicht auf der Höhe sind angesichts der makellosen Rationalität des Systems und der jener Modelle von Angepasstheit, die die Forscher selber sind. Die Eltern, für die, in einem gesellschaftlichen Milieu immer härterer Konkurrenz, die Herstellung eines Kindes eine immer größere finanzielle Investition darstellt, neigen ihrerseits um so mehr dazu, der von den Medien verkündeten Entdeckung des Genes der Schizophrenie, der Depression, des Alkoholismus, der Neurose, des Ehebruchs, der Homosexualität, der Aggressivität, der manisch-depressiven Psychose usw. Glauben zu schenken; diese Entdeckungen sind falsch, erschlichen, absurd, aber ihre Publizität erlaubt es, gemäß dem Modell der »Erbkrankheiten«, die Vorstellung von einer genetischen Bestimmtheit der gesellschaftlichen Leistungen zu verbreiten und so, außer der medizinischen Fürsorge ab der Schwangerschaft, die genetischen Tests zu rechtfertigen, welche die völlige Verdinglichung der Kinder in Objekte zur Befriedigung ihrer Eltern, in zu »optimisierende« Produkte, vollendet, mit dem Rattenschwanz der entsprechenden Ernährungszusätzen, chemischen Behandlungen, Lernsoftwares, usw. Für die Kinder, so wie sie heute sind, war es schon erdrückend genug, nicht »Kinder der Leidenschaft, des Augenblicks, des Zufalls, des Sakraments, der Dunkelheit und der Nacht zu sein«, was ihnen letztlich die Freiheit ließ, sie selbst zu sein, sondern vorgeplante Kinder der Kaltblütigkeit, gewollte Kinder des »Kinderwunsches«, absichtlich gezeugt, um zu einem bequemen Zeitpunkt mittels eingeleiteter Entbindung zur Welt zu kommen zu werden: man kann sich vorstellen, wie groß das Verlangen nach sozialem Erfolg und die Dressur zur Leistung sein wird, wenn auf den Genotyp der Prokreatur gesetzt werden wird. (Wenn man auf die Weltgeschichte verzichten und sie durch die Pensionsfonds ersetzen kann, kann man dann im Grunde nicht auf die individuelle Geschichte verzichten und sie durch die genetische Fatalität ersetzen?)

[p. 103 – 105]

Die Verwirklichung dieses Programms der genetischen Umgestaltung der Natur und der Menschheit setzt eine stabile und blühende Gesellschaft während der langen Periode seiner Umsetzung voraus; aber eines solche ausgeglichene und regelmäßige Gesellschaft, der sich wirklich um die Gesundheit ihrer Bevölkerung, die rationale Verwaltung ihrer Ressourcen usw. zu tun ist, würde sich ganz gewiss nicht in ein solches Abenteuer stürzen: das hätte sie nicht nötig. Eben weil dem überhaupt nicht so ist, weil sie nicht einmal weiß, was ihr in weniger als einem Jahr die automatischen Systeme bescheren werden, denen sie ihr Geschick anvertraut hat, oder die von ihr verursachten Klimastörungen, flüchtet sich die Weltgesellschaft in diese Tagträume, wo sie ihre Forschung durch Zauberei all die Widersprüche lösen sieht, in die sie sich auflöst. Diese Gesellschaft ist weder stabil noch blühend und ihr Zeithorizont geht nicht über die nächste wirtschaftliche Rezession und die damit verbundenen sozialen Zusammenbrüche hinaus oder über die nächsten zerstörerischen Schläge, die die Auswüchse des Wetters ihren Infrastrukturen zufügen und deren bloße Reparatur einen immer größeren Teil des verfügbaren Reichtums verschlingen und sie dazu zwingen wird, neben vielen anderen Dingen und sogar in ihren »blühendsten« Zonen, das Budget für die öffentliche Gesundheit und die Finanzierung dieser Forschungen zu revidieren. Vielleicht werden die Biotechnologien des verlängerten Lebens zum Geheimnis, das die hinter ihren Sicherheitssystemen und ihren Schutzdiensten verschanzten Spitzenfunktionäre der Herrschaftsverwaltung miteinander teilen werden. Den anderen, uns anderen, bleibt nur noch eine Wahl: wer nicht in den Zustand der bloßen Kreatur des ökonomischen Reichs zurückfallen will, entweder, weil er sich diesem unglücklichen Unbewußtsein entziehen und wieder Herr seiner selbst werden will oder aber, weil er, einem Eigenliebe gebietenden Vorurteil gehorchend, ein weniger feiges und weniger unwürdiges Leben vorzieht oder, sich als den Erben der Weltgeschichte sieht und ihr nicht mehr zuwiderhandeln will, dem bleibt nichts anderes übrig, als geistig oder körperlich die geschlossene Welt des industriellen Lebens zu verlassen, um sich draußen wieder mit der sinnlichen Welt zu vereinigen, so ramponiert diese auch ist. Es bleibt nichts übrig, als sich von dieser demütigenden Promiskuität freizumachen und die barbarische Askese zu pflegen, die Adorno angesichts der Massenkultur und ihres falschen Reichtums, ihrer Vergnügungen und ihren Apparaten des bequemen Lebens empfiehlt, wenn man wieder an das anknüpfen will, was vor dieser Barbarei existierte; oder aber man geht seinen Garten bestellen, weit ab vom Lärm und dem hysterischem Betrieb der Riesenstädte, in aller Ruhe, als gehöre man einer »Leisure Class« an, die die Ewigkeit vor sich hat. Novalis wunderte sich darüber, dass man die »Menschenrechte« durchsetzen wollte: »Nur wenige Menschen sind Menschen und deshalb ist es höchst ungehörig, Menschenrechte zu etablieren, als würden sie tatsächlich existieren – und er schloß mit gesundem Menschenverstand: Seid Menschen und die Menschenrechte werden euch von selbst gehören. Man könnte dem heute hinzufügen: seien wir Menschen, dann sind wir wenigstens Menschen gewesen. Das ist die Vorbedingung für alles andere.


Encyclopédie des Nuisances, Februar 1999.



Entnommen von: https://www.nadir.org/nadir/archiv/Gentechnik/Kritik/remarques/index.html
Die hier vorliegende Übersetzung von Teilen der »Remarques sur l’agriculture génétiquement modifiée et la dégradation des espèces« wurde von Anselm Jappe rund ein Jahr nach Erscheinen der Remarques erstellt. Sie war zur Veröffentlichung als Zeitungsbeilage gedacht, die jedoch nie erschien. Mit der Bereitstellung im nadir-archiv soll dieses Versäumnis nachgeholt werden, um ein mangels Übersetzung kaum beachtetes Autorenkollektiv im deutschsprachigen Raum bekannter zu machen. Es handelt sich bei dieser Bereitstellung lediglich um rund ein Drittel des Originaltextes. Im Buch gibt es keine Einteilungen in Kapitel. Es wurden daher die jeweils zusammenhängend übersetzten Textblöcke als html-files editiert. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die französische Ausgabe. nadir im Januar 2004