Wolfi Landstreicher

Zur mystischen Basis der „Neutralität“ der Technologie

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...die Produktion von Robotern ist natürlich (oder vielmehr unnatürlich) begleitet von der Entwicklung einer Umgebung, die ausschließlich für Roboter geeignet ist. – Encyclopé dia des Nuisances

Es gibt eine populäre Annahme unter Linken und anderen Radikalen, die sich noch immer zum Konzept des Fortschritts oder einfach nur zu marxistischen, theoretischen Konstrukten hingezogen fühlen, daß Technologie, als solche neutral sei. Die Annahme ist speziell amüsant weil die, die sie hervorbringen die Kritiker der Technologie beschuldigen, sie hätten eine mystische und ahistorische Konzeption. Was diese Verteidiger der Technologie behaupten ist, daß die Kritiker der Technologie ”technologischen Determinismus” bewerben, indem sie Technologie zum zentral-bestimmenden Faktor in der sozialen Entwicklung machen, und daher den Blick für die sozialen Faktoren verlieren. Sie finden sich wieder im Verkünden darüber, daß die Probleme nicht in den technologischen Systemen selbst liegen würden, sondern vielmehr in denen, die sie verwalten und in deren Wahl zur Nutzung. Zweifelsohne waren da die, die bestimmende Kräfte zur Technologie beigesteuert haben. Einer der größten Befürworter dieser Ansicht war Marx, dessen Wirtschaftstheorie eine entschieden technologische Wirtschaftstheorie war. Seiner Ansicht nach erschuf eine ökonomische Notwendigkeit diesen Kontext und genau daher ist Technologie nicht neutral. Wenn wir Technologie als technische Systeme im großen Maßstab verstehen (so wie Industrialismus, Cybernetics, etc.) dann kennen wir kein technologisches System das nicht innerhalb des Kontexts der Determination, Klassenherrschaft und Ausbeutung entwickelt wurde. Wenn Marx, in seiner kurzsichtigen, hegelianischen Vision, Kommunismus im industriellen System sehen konnte, dann war das nur mö glich weil seine Vision des Kommunismus die Negation individueller Freiheit war, das Absorbieren des Individuums in die “Seinsart” die manifestiert war in dem zwangsweisen kollektiven Produktionsprozeß der Fabrik. Genaugenommen wurde das industrielle System zu einem Zweck entwickelt – um die Profitmenge zu maximieren, die aus jedem Moment der Arbeit zu bekommen war, durch das Erhöhen des Kontrolllevels über jeden Arbeiter und seiner Bewegungen in seiner Arbeit. Jede neue technologische Entwicklung innerhalb des kapitalistischen Systems erhöhte einfach das Level der Kontrolle über die Prozesse, bis zu dem Punkt hin, wo diese heute meistens automatisiert sind. Nanotechnologie und Biotechnologie erschaffen die Basis um diese Kontrolle auf molekularer Ebene direkt in unsere Körper zu bringen. Sowie die Ideologien jeder Epoche der Ausdruck des herrschenden Systems jener Epoche sind, so reflektieren die Technologien jeder Epoche die herrschenden Systeme. Die Vorstellung, daß Technologien neutral sind bzw. daß wir uns die technologischen Systeme wiederaneignen und für unseren Nutzen verwenden können ist eine mystische Vorstellung und eine ahistorische Unschuld gegenüber der Technologie. Wie Ideologie, diese Systeme der verdinglichten Ideen, durch die die herrschende Ordnung ihre Herrschaft verstärkt, ist Technologie ein Produkt dieser herrschenden Ordnung, erschaffen um ihre Herrschaft zu verstärken. Die Zerstörung der herrschenden Ordnung wird die Zerstörung ihrer Technologie beinhalten, des Systems der Techniken das echnologische Entwicklungen (wie die frühe industrielle Fabrik), die dann die Basis für eine unvermeidliche Verdrängung des dominanten ökonomischen Systems schufen. Daher vereinigt Marxs ökonomischer Determinismus auch eine Art technologischen Determinismus. Marxs Fehler liegt genau in seinem Determinismus (eine unvermeidbare Konsequenz des Faktums daß seine Kritik an Hegel damitlimitiert war, Hegel, einen historischen Deterministen, auf den Kopf zu stellen, anstatt seine fundamentalen Konstrukte zu verwerfen. Ein wahrhaft historischer, in Opposition zu einem mystischen Ansatz zum sozialen Kampf und allen seinen involvierten Faktoren muß jede Form des Determinismus verwerfen, weil er von der Idee der Geschichte als menschliche Aktivität beginnt, anstatt als Ausdruck eines allumfassenden metaphysischen Wertes oder Konzeption. Daher muß jedes Produkt der Geschichte als Produkt dessen Kontexts betrachtet werden, hinsichtlich der konkreten sozialen Beziehungen, in denen es sich entwickelte. Aus dieser Perspektive, kann es keine solche Sache wie “neutrale” Technologie geben. Technologie entwickelt sich immer innerhalb eines sozialen Kontext mit dem expliziten Ziel diesen Kontext zu reproduzieren.

Zu diesem Zeitpunkt sind die technologischen Systeme, die durch die herrschende Ordnung entwickelt wurden so aufdringlich und so schädlich, daß es absurd ist auch nur vorzugeben, diese könnten für den geringsten befreienden Zweck verwendet werden. Wenn Marx, Hegel folgend, wollte, daß Geschichte ein abschließendes, vorherbestimmtes Ende habe, so wissen wir heute daß solch eine Sichtweise viel zu christlich ist um jemals wirklich revolutionär zu sein. Revolution ist eine Wette und diese Wette ist genau, daß das Unbekannte, das die Möglichkeit des Endes der Herrschaft und Ausbeutung bietet, es Wert ist, riskiert zu werden und daß dies zu riskieren die Zerstörung der Totalität dieser Zivilisation der Herrschaft und Ausbeutung beinhaltet, einschließlich der technologischen Systeme, das war alles was wir jemals wußten. Leben ist anderswo. Haben wir den Mut und den Willen es zu finden?


Entnommen am 7.10.2015 von https://siaausrufezeichen.wordpress.com/category/anarchismus/post-linker/
Von Wolfi Landstreicher, aus dem Amerikanischen ins Deutsche übersetzt von die Eule (dieeule a-im-kreis riseup punkt net).